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390 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 8.-9. Heft (Aug -Sept. 1918).
merken, daß ich gebildet bin?" — Dazu gesellt sich noch die Ausrede
, durch die das Fremdwort so gern sein Dasein behaupten
möchte. „Das deutsche Wort drückt nicht genau dasselbe aus.
Es deckt sich nicht." — Es gibt für alle Fremdworte einen Ersatz.
Nur Nachdenken gehört dazu. Aber: „Das Schwerste klar und
allen faßlich zu sagen, — heißt aus gediegenem Golde Münzen
schlagen." Geibels Wort zeigt den Wert der guten, reinen,
deutschen Rede. Diese muß sich Deutschland erhalten. Dazu
leihe die Frau ihre Kraft. — Denn:
Vieles kann ein Volk entbehren,
Wenn dazu die Not es zwingt,
Doch dem Feinde muß es wehren,
Der es um die Sprache bringt.
In ihr wurzelt unser Leben
Und erhält durch sie Bestand:
Wer sich ihrer hat begeben,
Der verlor sein Vaterland.
(Martin Greif.)
Zur Frage der Sprachreinigung.
Von Alois K a i n d 1 - Linz a. d. D.*)
„Bescheidene Wahrheit Sprech ich dir,
Wenn sich der Mensch, die Weine Narrenwelt,
Gewöhnlich für ein Ganzes halt."
Goethe s Faust.
Mit obigen Worten verurl eilt Goethe das anthropozentrische
Dogma, welcher Irrtum nach Häckel im menschlichen Eigennutz
seinen Ursprung hat. Damit ist aber zugleich dem Nationalismus
oder doch wenigstens einem „engherzigen" Nationalismus das
Urteil gesprochen, der wie der Anthropozenlrismus im menschliehen
Eigennutz wurzelt und sich von ihm nur dadurch unterscheidet,
daß er nicht wie dieser die Menschheit, sondern die Nation als
„vorbedachten Mittelpunkt und Endzweck alles Erdenlebens und
der Welt" betrachtet, und von diesem Gesichtspunkt aus alles beurteilt
und behandelt. Ist es schon verfehlt, wenn sich die Menschheit
für ein Ganzes hält, so muß es foIgerick.gerwe.se als ungleich
verfehlter angesehen werden, wenn eine einzelne Nation sich für
ein solches hält und sich demgemäß gebärdet. Wir haben dann
zwar eine kleinere Narrenwelt, jedoch eine um so größere Narrheit
. Der anthropozentrische Irrtum gehört zu jenem Komplex
von Irrtümern, welche Häckel unter dem Namen Anthropismus zu-
*) Selbstredend lassen wir auch die von der unsrigen wesentlich abweichende
Meinung eines altbewährten Mitarbeiters mit obiger Erwiderung
gerne zum Wort kommen und überlassen das Urteil dem freien Ermessen
der Leserschaft. — Schriftl.
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