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414 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 10. Heft (Oktober 1918.)
bürg. Das Büchlein ist übersichtlich und klar geschrieben.
Der Standpunkt des Verfassers gegenüber Spiritismus und
Okkultismus deckt sich so ziemlich mit dem des Professors
Dessoir. Nicht in Betracht kommt der biblische Standpunkt
. Devaranne sagt mit einem gewissen Rechte: „Es
ist eine bekannte Tatsache, daß man aus der Bibel alles
beweisen oder fortbeweisen kann, was man will; jeder Bibelkenner
, der sich nicht scheut, Bibelstelleu aus dem Zusammenhange
herauszureißen, kann mit einer gewissen Geschicklichkeit
jeden gewünschten Standpunkt vom kraß
materialistischen bis zum idealistischen passend belegen und
biblisch rechtfertigen." Der Herr Pfarrer hat ausschließlich
den wissenschaftlichen Weg gewählt und sucht in der
Darstellung und Beurteilung okkulter und spiritistischer
Phänomene die wissenschaftliche Methode anzuwenden. Und
das kann nur wärmstens begrüßt werden, streben doch auch
alle einsichtigen Okkultisten darnach, die Sonderersehein-
ungen des Seelenlebens nach dieser Methode zu erforschen.
Sie ist die gemeinsame Basis aller ehrlichen Wahrheitssucher
. Sehr gut sagt Devaranne, daß auch die Naturwissenschaft
überzeugt ist, daß ihr Horizont nicht der der
ganzen Wirklichkeit, der Realität des Seienden sei: sie er-
f enne gerne Lücken in dem gesamten Gebiet des zu Er-
forschenden an. — »Sie gibt dort Lücken in der menschlichen
Wahrnehmung und der forschenden Wissenschaft zu,
die auszufüllen sie sich ehrlich bemüht.tf
Diesen objektiven Standpunkt verliert der Verfasser
leider nur allzu schnell aus den Augen. So werden Tischrücken
und Wünschelrute ohne Rücksicht auf die seit
Keichenbach von exakten Wissenschaftlern angestellten
Versuche total falsch gedeutet. — Devaranne schreibt:
„Unser Körper macht fortwährend unbewußte Zitterbewegungen
, sogenannte ideomotorische Bewegungen, die teils
durch den Rhythmus der Atmung oder des Blutkreislaufes,
teils durch Muskelerschlaffung oder auch Seelenerregung
hervorgerufen werden. Man beobachte diese latente Bewegung
an sich, wenn man ein bis an »den Rand volles
Glas Wasser zum MuL.de führt, oder wenn man zielt, wo
die Spitze des Zielrohres auf der Scheibe allerhand Kurven
beschreibt, oder man beachte die unbewußten Bewegungen
eines beim Sitzen übergeschlagenen Beines. Aus dieser
ideomotorischen Bewegung entstehen einige Phänomene, die
von okkulter und spiritistischer Seite in Anspruch genommen
werden als Wirkungen vierdiraensionaler Kräfte:
die Wünschelrute, gewisse Formen des Gedankenlesens und
das Tischrücken. Man halte nur einmal beide ausgestreckten
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