http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1918/0434
430 Psychische Studien, XLV. Jahrg. 10. Heft (Oktober 1918).
irgendwelche physikalischen Abstraktionen wie Wellen oder
Strahlungen erklären oder es auf sie „zurückführen* zu
wollen.
III.
Bekanntlich stellt Ostwalds Energetik die psychische
Energie in eine Keihe mit den andern, wenn sie auch als
die seltenste Energie bezeichnet wird. Ein Quantum
Wärmeenergie ist einem bestimmten Quantum einer anderen
Energie, etwa der chemischen, äquivalent und jene kann
sich in diese umwandeln, analog wäre also anzunehmen, daß
geistige Energie z. B. aus chemischer entstehen würde .und
daß ein bestimmtes Quantum geistiger Energie e:nem Quantum
chemischer Energie äquivalent sein würde. Nun ist
uns aber von einem energetischen Aequivalent der psychischen
Energie nichts bekannt, also das Wichtigste, das
Meßbare fehlt, um die geistige Energie tatsächlich wie eine
andere Energie ansehen und behandeln zu können. Auch
sehr genaue Stoff Wechseluntersuchungen haben keinen Unterschied
im Energiehaushalt eines ruhenden, nicht geistig arbeitenden
Menschen und eines ruhenden geistig arbeitenden
feststellen lassen. Damit entfällt schon ein gewichtiger
M Psychische als Energie aufzufassen, denn wenn
man das Aequivalenzprinzip hier nicht anwenden kann, sind
wir schon eines großen Vorteils, den die Subsummierung
unter die Energien mit sich bringen würde, dem zuliebe
man vielleicht gewisse andere Ungereimtheiten schließlich
in den Kauf nehmen könnte, beraubt.
Hier sei zur Klärung noch eine Bemerkung über eine
andere Bedeutung des Begriffs „Energie* eingeschaltet.
Bei manchen Psychologen, die mit Ostwalds Auffassung
garnichts zu tun haben, finden wir gleichwohl den Begriff
der psychischen Energie. Er hat aber mit der energetischen
Auffassung des Psychischen durchaus nichts zu tun, sondern
es ist ein rein psychologischer Begriff, der nicht in die
physische Welt hinüberschielt, es ist die Größe eines
psychischen Wertes im Hinblick auf ihre geistige Wirkungsfähigkeit
. So können wir einer Vorstellung, die mit einem
wichtigen Interesse zusammenhängt, eine größere psychische
Energie zuschreiben als einer anderen Vorstellung, der ein
besonderes Interesse fehlt.
Dann muß im Hinblick auf den Zusammenhang noch
auf etwas anderes eingegangen werden, was ich schon in
der früheren Arbeit behandelt habe. Wenn man die energetische
Auffassung des Psychischen folgerichtig zu Ende
denkt, darf man das Verhältnis nicht so auffassen, als ob
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1918/0434