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456 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 10. Heft (Oktober 1918.)
unserer ältesten Tochter Anna, die damals ihren kranken
Großvater pflegte, und erfuhr von dieser, unser zweit«
ältester Sohn W. habe ihr vor einigen Tagen mitgeteilt,
er sei eben damals bei einer Säbelmensur, zu welcher er
beim Tübinger Korps Rhenania die Waffen belegt hatte,
am Kopf mit bedeutendem Blutverlust, aber ungefährlich,
verwundet worden. Den Eltern hatte er die ganze Sache
verschwiegen, um ihnen unnötige Aufregung zu ersparen.
Der Schriftleiter.
Seelische Diagnose,,
Von Prof. Dr. Ludwig (FreisingV
Auf den Charakterologen Ludwig Aub in München
war ich zuerst durch eine Annonce in den „Münchener
Neuesten Nachrichten" aufmerksam geworden, konnte aber
ein gewisses Mißtrauen nicht überwinden. Doch wuchs
mein Interesse bedeutend, als ich eine Reihe von Urteilen
über Aubs außergewöhnliche Fähigkeiten aus der Feder
beachtenswerter Personen (z. B. Universitätsprofessor Dr.
Cohen und Nervenarzt Dr. Ludwig in München, Dr. Böhm in
Nürnberg, Max Halbe und Frank Wedekind, angesehener
Juristen und kath. wie prot Theologen) in der Broschüre
Dr. Dingfelders -Ludwig Aub aJs Hellseher und Hellfühler*
und in Sem Flugblatt fürteile über Ludwig Aub« gelesen
hatte. Mein Entschluß stand fest, die Sache zu prüfen.
Nash vorheriger Anmeldung (eine solche ist in jedem Falle
erforderlich, da die Sprechstunden oft auf Wochen hinaus
belegt sind) wurde ich in der Münchner Wohnung Aubs
(Blütenstr. 12) empfangen. Seine Persönlichkeit machte auf
mich sofort einen günstigen Eindruck. Nichts Gesuchtes,
Auffallendes, wohl aber viel Gewinnendes lag in ihr. Das
Gespräch drehte sich zunächst um die Phänomene des Okkultismus
, als Aub auf mein Ersuchen, meine seelische
Diagnose zu stellen, sofort die begonnene Unterhaltung
abbrach und mich stark fixierend mir in kurzer prägnanter
Darlegung die charakteristischen Züge meines seelischen
Wesens so klar zeichnete, daß ich gezwungen war, seine
Fähigkeit als eminenter Charakterologe anzuerkennen. Ich
war bisher Aub vöJlig unbekannt gewesen. Das, was er
über mein Inneres zu sagen wußte, lag auch für den gewöhnlichen
Blick nicht so an der Oberfläche, daß es leicht
zu erraten gewesea wäre. Auch handelte es sich in meinem
Fall um eine sogen, komplizierte Natur, in der aber Aub
wie in einem aufgeschlagenen Buche las. Eigentliches Hellsehen
kam mir gegenüber nicht in Betracht, sondern es war,
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