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474 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 11. Heft November 1918)
hänger zählen sollte, als praktische Leute mit Recht auch
auf diesem .okkulten" üebiet vor allem experimentieren
und durch Probieren T a t s a c h e n festzustellen
suchen, auf welchem Wege die angelsächische Rasse namentlich
seit Bacon zur Hauptbegründerin der modernen exakten
Naturwissenschaft geworden ist, während wir Deutsche von
jeher nur allzu geneigt sind, auf Grund irgend einer philosophischen
Lieblingstheorie oder einer bestehenden Schulmeinung
über Dinge zu urteilen, welche praktisch kennen
zu lernen bezw. zu verwirklichen wir eigensinnig ablehnen.
Das Studium der Hauptwerke der einschlägigen Literatur
und die persönlichen Erlebnisse in den erwähnten Sitzungen
brachten dann bald meinen bisherigen „Glauben*, der mir
im Jahre 1876/77 sogar einen vielbesprochenen Schwurgerichtsprozeß
wegen angeblicher Gotteslästerung in einer
philosophischen Abhandlung „Versuch einer monistischen
Begründung der Sittlichkeitsidee (Stuttgart, Konrad Wittwer
1876) zugezogen hatte, ins Wanken.a)
Um das, was gleich in der ersten Sitzung auf mich
einen so tiefen, subjektiv zwingenden Eindruck machte, zu
verstehen, muß ich vorausschicken, daß am 2. April 1888
in Pa^is eine rumänische Fürstentochter, die dort Medizin
studierte und mit welcher mich innigste Seeleng-:meinschaft
verband, infolge einer Infektion mit Leichengift durch
Kratzen im Gesicht beim Sezieren im Hospital Necker
nach qualvollen achttägigen Leiden gestorben war. Diese
Dame4), die ich in Stuttgart, wo ich damals am kgl. Realgymnasium
tätig war, für die Abiturientenprüfling vorbereitet
hatte, war das geistvollste und edelste weibliche
Wesen, das ich jemals kennen zu lernen das Glück hatte. Ich
3) Verg. „Politisches und Polemisches" aus den nachgelassenen
Schriften von Ludwig Pfau. Mit einem Vorwort von Dr. Ernst Ziel.
Verlagshaus Stuttgart, Dr. Förster u. Cie. XIII. Preßprozesse; 2 Schwurgerichtsprozeß
wegen Gotteslästerung, Der Fall Maier." Ich wurde damals
mit 8 gegen 4 Stimmen freigesprochen.
4) Sie hieß Olga von Balsch und entstammte einer mit den Fürsten
Ghika nächstverwandten Bojarenfamilie, die in Bukarest ihre prachtvolle
eigene Kirche, die „Biserika Domna BaJasa" besitzt, ich wollte der auf dem
CimetieredeGentilly beim Park Montsouris in Paps begrabenen geistvcrmäblten
hohen Herrin, deren Edelsinn ich so viel verdanke, durch diese Mitteilungen
in den Herzen unserer Leserschaft nachtiäglich ein bescheidenes Denkmal
treuer Freundschaft errichten. Als junges Mädchen war sie mit der späteren,
1898 in Genf durch den italienischen Anarchisten Luccheni ermordeten
Kaiserin Elisabe th von Oesterreich und mit der edlen rumänischen Konigin
Elisabeth (Carmen Sylva) näher bekannt gewesen. — In den durch Flüstern
und Schreiben des Mediums später automatisch erfolgten Kundgebungen
lautete der „Geistername" der Verstorbenen „Doraisa", was mich an Domina
(Herrin) erinnerte, wie ich sie auf lateinischen Postkarten anzureden
pflegte; das Medium konnte hiervon nichts ahnen, geschweige wissen. M.
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