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476 Psychische Studien. XLY. Jahrg. 11. Heft. (Norember 1918).
traten, noch am Tischchen sitzen. Plötzlich kam dasselbe
in heftige Bewegung und schlug mich mit einem gehobenen
der drei Tischfüße schmerzhaft stark auf den Fuß.
Beim Buchstabieren ergab sich DONA, womit ich, weil
ich das berichtete Gespräch längst vergessen hatte, zunächst
nichts anzufangen wußte; erst als es nach einigen Fehlversuchen
weiter klopfte: OL A RA, trat die Erinnerung
an jenen Spaziergang, von welchem meine Frau und Tochter
nichts wissen konnten und aus besonderen Gründen nichts
hätten wissen wollen, wieder so lebhaft vor meinen Geist,
daß ich noch während der Nacht stundenlang nach dem
Heine'sehen Gedicht nachsuchte, bis ich es endlich im
ßomanzero entdeckte. Kurz nachher versetzte ich die genannte
, später in Stuttgart verheiratete Tochter — es war
Ende Juli 1893 — selbst in magnetischen Schlaf, wobei sie
etwas mir zuerst Unverständliches flüsterte; endlich verstand
ich: 14, nachher: der 14te! Auf meine Frage, was
denn das heißen solle, sprach sie langsam und vorwurfsvoll
: »Nicht einmal am 14ten hast Du an mich gedacht!*
Ich selbst und nur ich — denn meine Tochter, die damais
noch in die Schule ging, konnte von alle dem unmöglich
etwas ahnen — verstand sofort, um was es sich handle.
Am 14. Juli 1887 hatte ich mit der Verstorbenen den
ganzen Tag das französische Nationalfest in glücklichster
Stimmung mitgemacht, ohne, obschon wir Deutsch sprachen,
von der begeisterten Volksmenge irgendwie belästigt zu
werden. Das alles hatte ich natürlich längst vergessen,
erst jetzt tauchte die Erinnerung von neuem auf. Wenn
nun in einem solchen Fall die ,exakte* "Wissenschaft von
„Kryptomnesie* oder t latentem* Gedächtnis, bezw. unbewußter
telepathischer Beeinflussung des Mediums durch
eine ßückerinnerung des Unterbewußtseins spricht, so schien
mir damals doch die spiritistische Annahme einer direkten
Einwirkung der entkörperten Intelligenz näher zu Hegen, als
die physiologisch fast noch weniger erklärliche Hypothese
einer somnambulen eigenen Seelenkraft, denn wie soll die
aus dem Tisch herausklopfen ?
Eine willkommene Ergänzung bot «mir sodann das
Studium des schönen Buchs des früheren Herausgebers der
„Sphinx*, des nun verstorbenen Edelroenschen Dr. Hübbe-
Schleiden: ,Lust, Leid und Liebe*, Ein Beitrag zum
Darwinismus (Braunschweig 1891), wornach im Kreislauf der
Individualität durch das All das Leid eben das ist, was sie
in ihrer Bahn erhält, während sie die selbstlose Liebe
durch ideale Ergänzung vorantreibt, so daß die Liebe
mittelbar oder unmittelbar alles Leides Quelle wird. Gerade
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