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Tischner: Anthroposophie, Psychologie und Okkultismus. 499
fassen, so durfte Steiner es keinesfalls bei der Behauptung
bewenden lassen. Versteht er „medial* im weiteren Sinne,
mußte er beweisen, daß das Hellsehen usw. im physisch
Bestimmbaren seinen Ursprung habe; nimmt er die spiritistische
Deutung an, so mußte er, da diese stark bestritten
wird, gleichfalls auf die strittige Frage vom Ursprungs des
Hellsehens eingehen.
Wenn ich davon spreche, daß das Hellsehen keine
Funktion des Leibes, sondern eine rein seelische Tätigkeit
sei, so meine ich damit nicht den Zustand, wenn ich „entleibt
* bin, davon spreche ich nicht und weiß auch nichts
davon, scndern ich spreche von unserem irdischen Leben
und will damit nicht mehr und nicht weniger sagen als
Steiner , wenn er von dir Tätigkeit des Geistesforscher»
spricht, die im rein Geistigen vor sich geht. Auch Steiner
kann ja nicht behaupten, daß sein Leib bei diesen Forschungen
garnicht vorhanden zu sein brauche, sondern nur,
daß diese Forschungen unabhänig von ihm erfolgen. Und
ich wende mich hauptsächlich dagegen, daß er sich bemüht,
die Art der anthroposophischen Forschung von allen andern
möglichst weit fortzurücken; das scheint mir nicht erwiesen*
Auf Seite 49 sagt er in dem Aufsatz gegen Max Dessoirj
dieser habe aus einer Stelle seines (Steiners) Buches her"
ausgelesen, man könne bei der Wahrnehmung von Töne11
und Farben die Vermittlung des Leibes ausschließen. Der
L^ser würde, falls er die vorangehenden Darlegungen ge" /
lesen habe, ersehen: „daß ich (Steiner) vom Gesichtspunkt
der Anthroposophie nichts Törichteres behaupten könnte, als
die Seele könne bei Wahrnehmung von Farben und Tönen
die Vermittlung des Leibes ausschließen. Brächte ich solche
Behauptung vor, so wäre allerdings richtig zu sagen, es
lohne nicht diese Behauptung im einzelnen zu widerlegen."
Diese Äußerung läuft also auf dasselbe hinaus, wie die
eben erörterte. Auch hier ignoriert Steiner völlig andere
Möglichkeiten und scheint die hier liegenden Probleme
garnicht zu sehen, die man nicht durch die Behauptung
löst, man könne nichts Törichteres als diese Meinung vertreten
. Ich halte diese Meinung für durchaus erörterungswert
und sehe auch in der Anthroposophie nicht den strikten
Gegenbeweis geführt; dazu kommt, daß diese Ansicht weder
mit den Voraussetzungen noch mit den Konsequenzen der Anthroposophie
notwendig unvereinbar zu sein scheint.
Seite 206 sagt Steiner des weiteren, daß die halluzinatorischen
, visionären und medialen Fähigkeiten einem Bewußtsein
angehören, das zu dem gewöhnlichen nichts hinzufügt,
sodaß der Bewußtseinsstatus unter den Grad heruntersinkt,
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