http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1918/0533
Psychische Studien.
Monatliche Zeitschrift,
Vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des
Seelenlebens gewidmet.
45. Jahrg. Dezember 1918
I. Abteilung.
Historisches und Experimentelles.
Ueber die Gleichförmigkeit des psychischen
Geschehens und ihre Beziehungen zum Okkultismus
.
Von Dr. med. E. Tischner, München.
Bei allen wissenschaftlichen Arbeiten hat man sich zu
fragen, ob die von uns vermutete Ursache irgend, eines
Geschehens nun wirklich die richtige ist. Man hat also
darauf zu achten, wie der Verlauf ist, wenn diese Ursache
fortfällt. * Bo hat sich der Mediziner bei der Frage nach
der Wirksamkeit irgend ein^» therapeutischen Maßnahme
zu überlegen, wie denn die Krankheit ohne Beeinflussung
verlaufen würde. Vielfach jedoch bringt es die Lage
der Dinge mit sich, daß die in Frage stehende Ursache
nicht völlig ausgeschaltet werden kann. Dann tritt der
andere Grundsatz in Kraft, daß man nicht ohne Not überflüssige
, ungewöhnliche Ursachen herbeizieht, wenn alltägliche
, einfachere Annahmen zur Erklärung der gerade
vorliegenden Frage genügen. Dieser Grundsatz gilt natürlich
auch in der Psychologie und dem Okkultismus, eine
Nichtberücksichtigung dieser Erwägungen wird zu folgenschweren
Fehlern führen müssen. Mit einer dieser Fehlerquellen
wollen sich die folgenden Zeilen beschäftigen, nämlich
mit der Gleichförmigkeit des psychischen Geschehens.
Ehe wir in die Erörterung der Frage eintreten, mag ganz
kurz mit einem Beispiel gesagt sein, um was es sich handelt.
Aus der Erscheinung, daß zwei Menschen dasselbe gedacht
und getan haben, ohne daß sie irgendwie miteinander direkt
oder indirekt in Verbindung gestanden haben, darf nicht
ohne weiteres gefolgert werden, daß die Übereinstimmung
durch Telepathie (oder Hellsehen) zustande gekommen ist.
Tut man das, so hat man nicht genügend berücksichtigt,
daß das Denken und Handeln bei verschiedenen Menschen
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