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550 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1918.)
unser eigentliches Wesen. Sie offenbart sich als ursprüngliches
Erleben, das mit den Sinnen nichts zu tun hat, in
ihr finden die Erscheinungen jeglicher Art ihre Lösung.
Für sie, die eine vollkommene Einheit und doch uu-
endlich teilbar ist, gibt es endlich keine räumliche und zeitliche
Begrenzung, kein Nebeneinander und kein Nacheinander
, also auch keine Vergangenheit und keine Zukunft
für sie gibt es nur ein ewiges Jetzt!
Philosophie und Wissenschaft haben sich die schwierige
Aufgabe gestellt, das Problem des Zusammenhangs von
Körper und Seele, der Art ihrer Abhängigkeit zu lösen
oder unserem Verständnis näher zu bringen. Ob sie jemals
uns lehren wird, den Zusammenhang von Willen und körperlicher
Bewegung zu begreifen ? Fühlt sie sich dieser Aufgabe
gewachsen?
Ich glaube, hier versagt jede Wissenschaft, die alles
aus sich selbst begreifen möchte!
Das Wissen löst hier der Glaube ab! Und ich sage,
ich glaube, so wie es zweierlei Bewußtsein gibt, so gibt es
zweierlei Willen, den reinen (göttlichen) Willen und den
menschlichen Willen. Und wie das Sinnenbewußtsein störend
Das beste Weihnachtsgeschenk ist ein gutes Buch.
beim Denken sein kann, so kann auch der menschliche
Wille, die eigentliche Willenshandlung, hemmend wirken
Und sie wirkt hemmend, wenn der reine Willen das menschliche
Vorstellungsvermögen erst passieren muß. Es gibt
zweierlei Willensäußerungen, willkürliche und unwillkürliche!
Wollen wir das mal bedenken und uns erinnern, daß die
unwillkürlichen Willensäußerungen, die sogenannten Reflexbewegungen
stets zweckmäßige Folgen haben ?!
Suchst du das Höchste, das Größte? die Pflanze kann es dich lehren,
Was sie willenlos ist, sei du es wollend — das ist's!
In diesem Zweizeiler Schülers liegt sehr viel verborgen!
Ich schließe mit einem Zitat von Cyon, „Gott und Wissen-
schaff aus der Inaugurationsrede des Wiener Anatomen
Prof. Jos. v. Hyrtl: »Alles, was ich in flüchtigen Worten
berührte, weist auf eine letzte, über den Sinnen stehende
Abstraktion des Denkens hin, und diese führt zur Gottesidee
und zu ihrem Ausfluß, der menschlichen Seele. . . !
Für das Unmögliche gibt es kein Erkennen, wie für das
Absurde keine Wissenschaft!"
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