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Gates: Der Wahlspruch d. Bewußtseins u. s. kosm. Begründetheit. #51
II. Abteilung.
Theoretisches und Kritisches*
Der Wahrspruch des Bewußtseins und seine
kosmische Begründetheit
von Elmer Gates
(Professor der Psychologie in Washington)
Mit einem Nachwort des Ubersetzers Alois Kaindl.
(Schluß von Seite 443.)
Daß der Glaube ein selbständiges Vermögen des individualisierten
Geistes ist, dafür spricht ja u. a. schon der
Aberglaube, der sum Ärgernisse des Verstandes im Leben
der Menschen eine so große Rolle spielt und der, wenn
auch der Verstand selbst dabei seinen redlichen Anteil hat
— denn seine Versündigungen an der Wahrheit sind nicht
minder groß als jene des Glaubens — doch vornehmlich
im menschlichen Gemüte wurzelt. Ein Mißbrauch setzt
jedoch nicht nur ein Etwas, das mißbraucht wird, sondern
auch die Möglichkeit eines richtigen Gebrauches dieses
Etwas als selbstverständlich voraus: es muß demnach
ein geistiges Vermögen, welches wir Glaube nennen und
welches in einem Fürwahrhalten ohne Beweisgründe auf
ein bloßes Gefühl hin besteht, tatsächlich vorhanden sein.
Der richtige Gebrauch dieses geistigen Vermögens aber
würde sein, den kosmischen Grundwahrheiten unbedingt zu
vertrauen, sich ihrer als Norm oder als Kriterion zu bedienen
und sich im Urteil von ihnen bestimmen zu lassen.
Dies setzt natürlich voraus, daß man sie innerlich empfindet
und sich ihrer bewußt wird, was von einem inneren Feingefühl
oder einer inneren Sensitivität abhängt, die wiederum
in einer verfeinerten physischen Organisation oder in einer
Unmittelbarkeit geistiger Perzeptivität ihnen Grund haben
mag. Diesen lauteren, kosmischen Glauben scheint auch
Emerson zu meinen, wenn er sagt, daß der Glaube die
Almahme der Behauptungen der Seele sei. Wie es bei der
heutigen zivilisierten Menschheit um diesen Glauben steht,
findet in folgendem Verse einen ebenso bündigen wie
richtigen Ausdruck:
, Zertrümmert scheint, zermalmt zu losem Staube
Des Menschen Grundbaufels der Glaube. —* (W. Jordan.)
Was dem Dichter nur seheint, kann heute als vollzogene
Tatsache gelten, „des Menschen Grundbaufels* ist
zerstört durch die Erosion, die zerfressende Wirkung des
Verstandes; das innere Feingefühl, der innere Fei»- und
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