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Tischner: Zur Identifikation Verstorbener
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selbst nicht ausgerechnet hat, und ersuche dann den Verstorbenen
um die Lösungen. Ich rate mehrere Aufgaben
fu nehmen, es wird dann die Möglichkeit, daß das Median,
im Geiste des Mathematikers die Losungen findet, die er
vielleicht unbewußt doch ausgerechnet hat, noch geringer.
Noch mehr wird die Aufgabe kompliziert, wenn ein Mathematiker
einen Teil der Aufgabe, ein anderer den zweiten,
ohne den ersten dem genauen Tnhalt nach zu kennen, schreibt,
sodaß also niemand die ganze Aufgabe und deshalb auch
niemand die Lösung kennt. Allerdings wird von dem Geist
eine produktive Leistung verlangt, die wohl nur selten zu
erhalten sein wird.
Eine ander* Möglichkeit, wodurch Hellsehen ausge-
schlössen sein würde, wäre etwa folgende: Ein Mensch verspricht
nach seinem Tode in einer Sitzung zu erscheinen
und eine bestimmte Zahl mitzuteilen. Diese Zahl darf
unserer Forderung nach nirgendwo aufgeschrieben existieren
und muß doch nachprüfbar sein! Das wäre folgendermaßen
zu erreichen: Einer seiner Bekannten erhält einen verschlossenen
Umschlag mit einem Zettel auf dem ein Merkwort
steht, ein anderer einen Umschlag mit einem Schlüsselwort
darin, kein Mensch kennt die Zahl, niemand das Merk-
und Schlüsselwort. Um ein Beispiel zu nehmen, so soll
das Schlüsselwort „Konstantinopel« sein, dann ist K—1,
o -2, n==3, s—4, t—5, a=6 usw. Das Merkwort, das er
bei einem anderen hinterlegt hat, sei „Kant*, dann entspricht
dem die Zahl 1635. Diese Zahl ist nirgends in der
Welt deponiert, und niemand mitgeteilt, kann also auch
nicht von dem Medium hellseherisch oder telepathisch erfahren
werden, denn deponiert ist nur das Merkwort „Kant"
und das Schlüsselwort „Konstantinopel", und zwar bei
zwei verschiedenen Menschen, die ihrerseits den Umschlag
noch weitersenden können, sodass die beiden Umschlägt»
weit auseinander bei unbekannten Menschen lagen. Auch
die Technik des Merk- und Schlüsselwortes kann man
noch komplizieren. — Wenn Medium und. der Verstorbene
sich nicht gekannt haben, ist es auch sehr unwahrscheinlich
, daß er bei Lebzeiten die Zahl auf das Medium übertragen
hat.
Indem auf diese Weise etwas mitgeteilt wird, was
garnicht existiert und also auch nicht hellgesehen werden
konnte und doch auf seine Biehtigkeit kontrolliert werden
kann, scheint mir die höchste denkbare Sicherheit gegeben
zu sein, daß im Falle des Gelingens wirklich ein Verstorbener
der Urheber der Mitteilung ist.
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