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576 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1918.)
„Buddhistische Weisheit" von Georg Grimm u. Hans Much. II. Aufl.
Hans Bachs-Verlag München 1918. 96 S.
Die Lebenskraft und ihre Beherrschung von Georg Grimm. IL Aufl.
Augsburg, Lampart, 1918. 69 8.
Die erste Schrift ffibt im ersten Teil eine feehr klare, empfehlenswerte
Darstellung de« Buddhismus, indem sie das Problem des
Ich in den Mittelpunkt stellt. Zuerst wird gezeigt, was das Ich
nicht ist (nicht Körper, nicht Erkennen, n'eht Seele, nicht Wille,
nicht Vorstellung), dann wird gezeigt, wie das Leiden durch den
Trug der Sinnesgenüsse immer wieder aufspringt, und als das Ziel
wirrt dargestellt die Befreiung vom Willen, indem der Drang durch
rechte Erkenntnis des Leid vollen allen Streben - und der Vergänglichkeit
alles Irdischen zum Verlöschen gebracht wird. - Der zweite
Teil bringt formvollendete und gedankentiele Gedichte von Much.—
Die zweite Schrift von Grimm will vor buddhistischen Gesichtspunkten
aus in das Wesen der Lebenskraft einführen und die
Möglichkeit zeigen, sie zu unsern Gunsten zu beherrschen. Der
Drang ist es (nach Buddha), der uns immer wieder geboren werden
läßt, und der sich selbst einen neuen Körper und Erkenntnisapparat
baut. Dieser Drang entstammt meinem Wesen, das schrankenlos,
unergründlich ist wie der Ozean; er ist gewissermaßen allmächtig.
Damit glaubt B. das Problem der Teieologie gelöst, denn bei einem
Wesen, das allmächtig ist, ist die Frasre,wie solche zweckmäßigen
Einrichtungen entstehen können, geradezu töricht. Das Problem
sei im Gegenteil, warum dieser Drang trotz alle* WTunderbarkeit
stein Ziel sonst nur unvollkommen oder garnicht erreicht. Damit
ist das Problem in der Tat sehr scharf gestellt. Es ist genau das
entgegengesetzte Problem wie im Materialismus, Dieser weiß nicht
zu sagen, wie aus der absolut dummen Materie etwas Zweckmäßiges
werden kann, lür Buddha ist das Problem, wie der zu allem fähige
Drang so oft unvollkommen bleibt. Die Lösung, die Buddha gibt,
anzudeuten, würde zu weit führen. Im Anschluß daran wird gezeigt
, daß dieselbe Kraft auch als Heil drang beim kranken Organismus
sich betätigt und wie er durch Hypnose bezw. Vertrauen, Ueber-
zeugung von der Möglichkeit der Hilfe, verstäikt werden kann.
iS'ur einige Bemerkungen prinzipieller Art seien gemacht.
Das Grundproblem vom Leiden pflegt der Buddhismus nicht sehr
eindringend zu behandeln. Es ist nun dort einmal Tatsache, daß
viele Menschen die Welt lustvoll empfinden, außerdem fehlt jeder
objektive Maßstab, woran Lust und Unlust abzumessen sind. Dazu
kommt, daß der psychische Prozeß, die Lust- und Unlmtbilanz abzustellen
und miteinander zu vergleichen, ungemein verwickelt ist
und keinesfalls einfach in Addition und Vergleichen von Zahlen
werten oder ähnlichen Quantitäten besteht. Hoch grundsätzlicher
ist der Einwand, daß Wertungen nicht im gleichem Sinne wie
Urteile «1er Logik unterstehen, diese kann hier garnichts endgültiges
ausmachen. Ebenso wie niemand mir beweisen kann, daß
diese Speise, die mir schlecht schmeckt, eigentlich gu t schmeckt,
so ists auch sonst auf diesem Gebiete. Es ist Sache des Standpunkts
, der Stimmung, des r Gefühls44 und ist damit der
Logik entzogen. Eine eindringende Erörterung dieser und anderer
Einwände, abgesehen vom ersten, vermißt man bei den Buddhisten
im allgemeinen und auch bei Grimm. Die ganze neuere Philosophie
und Wertpsychoiogie existiert für sie einfach nicht und bei allei
Hochschätzung des Buddha muß doch gesagt werden, daß wir seitdem
in mancher Beziehung weiter gekommen sind und klarer sehen.
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