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Briefkasten.
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Briefkasten.
Herrn Dr. Lomer, Nervenarzt in Hannover, bebten Dank für die
Zeitungsnotiz über den verhängnisvollen 9. November. Der Zusammenhang
: ist }& ganz auffallend. — Ihr sachkundiges Urteil über
den offenen Brief des Schriftleiters drucken wir unsern Lesern ab.
Sie sehreiben (21. XI. er.) u. a.: „Mit besonderem Interesse las ich
im letzten Heft Ihrtn Brief mit dem JEntwickelungsgang Ihrer
okkulten Seite. Nur durch Erlebnisse kommt der Mensch auf den
rechten Weg der Erkenntnis, d. h. durch innere, seelische Erlebnisse.
Darum ist's ja so schwer, der Mehrheit der wissenschaftlichen Zunft
die Ueberzeugung von der Tatsächlichkeit alles Magischen beizubringen
. „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdefs nie erjagen.**
— Herzlichste Glückwünsche zum Gedeihen Ihrer Gesellschaft fürs
Neue Jahr!
Fr. Mathilde Teitge, Dentistin in Köln a.Rh. (Ubierring 5), bittet
kundige Okkultisten (bezw. Theosophen) um Angabe eines
buddhistischen Klosters in Indien oder Ceylon, in das Europäer
aufgenommen würden, um sich in mediumistischen Fähigkeiten
, von aller Welt abgeschlossen, weiter auszubilden. Die
hellsehende Dame schreibt uns, daß sie wichtige Ereignisse stets
in Wahrträumen voraussehe und ihren Astralkörper teilweise zu
lockern vermöge, so daß sie den Kopf ihres physischen Körpers
sehen könne; sie habe, wie daj von geborenen Magiern behauptet
werde, vollständig grüne Augen und mache seit etwa 4 Jahren
magische Uebungen mit zunehmendem Erfolg.
Herrn Karl Rettich in Neukölln, Schillerpromenade 25 (alter
Abonnent und Kriegsinvalide von 1866). Zum A bdruck Ihrer „ernsten
Gedanken über den Weltfrieden" (Verbrüderung der Menschheit auf
Grund aligemeiner Erkenntnis des Göttlichen in der Menschennatur
im Kampf mit Selbstsucht, Neid, Eifersucht, Herrschbegierde, aus
Nr. 35<'36 der „Zeitsehr. für Seelenleben* 1917), sowie der scharf gesalzenen
Artikel aus der Beiliner „Welt am Montag* („Bismarcks
unsel. Erben*4, „Völkerbund und Frieden", „Das Gebet der Monarchisten
* ) und Ihrer schönen Betrachtungen über die Vorgänge auf
den sieben Berliner Kirchhöfen in Neukölln fehlte uns beim besten
Willen der nötige Kaum. Wenn dort kürzlich eine Grabrede des
Geistlichen an der Gruft eines verstorbenen Kriegers bei der dogmatischen
Formel von der „Auferstehung des Fleisches" durch die
vorher ruhig weinende Witwe unterbrochen wurde, die plötzlich
zu toben und mit Männerstimme zu schreien begann: „Ich bin nicht
tot, ich bin ja in Dir* und die vielen teuren Kiänze des Tiauer-
gefolges mit den Worten wegstieß: „Ich will keine Kränze, weg
damit!", so daO die ganze Trauerversammlung mitsamt dem Pfarrer
auseinanderstob und die Arbeiter eilig die Gruft zuschütteten, konnte
ein überzeugter Spiritist wie Sie allerdings an Inspiiation durch
den Totgeglaubten denken. Die Verschwendung von Kriegsgewinnern
und anderen Protzen für prunkvolle Grabdenkmäler zu einer Zeit,
wo arme Leute um einJStück Brot betteln und mit ihren Kindern
„am Hungertuch nagen", erscheint auch uns unsinnig und unverantwortlich
. Möge Ihnen, dem wackeren Kämpfer von der alten Garde,
nach den Stürmen der Kriege jetzt vollends ein stiller Lebensabend
zu teil werden, „umspielt vom Mondlicht der ewigen Liebe, deren
Urteilsspruch jeder vor ihren himmlischen Thron abberufene
Erdenpilger* getrost entgegensehen darf, der die Pflichten gegen
seine Nebenmenschen stets so treu und gewissenhaft wie Sie erfüllt
hat. —
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