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Mayer: Zweites Gesicht und Willensfreiheit.
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Heranreifen. Längst also, ehe ein Ding in den Zustand
kommt, eine Tat zu bewirken, streben seine Kräfte diesem
Zustand zu, und sogar ein Erleiden, das ja doch niemals
einem Dinge ohne seine (unmittelbare oder mittelbare)
Gegenwart widerfahren kann, ist entsprechend diesem
Wesensanteil am Geschehen schon längst früher im Dinge
angebahnt, ehe die entscheidende Konstellation sich verwirklicht
. Was wir Tun oder Erleiden nennen, ist nur die
Zusammenfassung im Brennpunkt des Schicksals- (d. h.Ver-
wirklichungs-) Augenblickes der gerade dorthin drängenden
Mächte.
Dies ist aber — in lebenbauender Weise, von einem
blinden Fatum abgesehen — nur verständlich, wenn der
sogenannte Kausalnexus kein mechanisches Nebeneinander
toter Dinge darstellt, keinen Zwangszufall, sondern ein tätiges
Jneinanderwirken von Tatmächten durch ihr** aus- und
einstrahlenden Wesenkräfte ist. Und gerade auf dynamische
Eigenzentren (— von mir längst „Aktiden" benannt,
von denen auch die Elektronen nur äußere Entartungsphasen
sind, nämlich Katakliden ll) —) stellt die neue,
klaristisch fundamentierte Naturwissenschaft alles Geschehen.
Es besteht ein zwar zielirres, aber doch ergebnisreiches In-
einanderweben der entstrahlenden Kräfte, die miteinander
„interferieren" und die Entwicklung - und Streberichtungen
hüben und drüben einander angleichen und zutreiben.
Längst ehe das fruchtbare Zusammentreffen oder der
furchtbare Zusammenprall eintraten, gehören die Dinge
einem noch unwahrnehmbaren weiten Gesamtkreise von
Vor Wirkungen an; der astrologische Zusammenhang gehört
eben hierher. Nicht ausgeschlossen, vielmehr sehr
wahrscheinlich ist es, daß ein Ding verschiedenen Kreisen
angehören kann, die sich in ihm schneiden; wodurch natürlich
die Zusammenhänge noch verwickelter werden, auch
Störungen und Ablenkungen des partiell sonst Unvermeidlichen
doch wirklich werden können und sich auch Fehlprophezei
tragen echter Hellseher mit erklären.
Nun — wiederhole ich — das Geschehen ist kein
mechanisches, äußerliches, keine bloß stoffliche Bewegung
im Räume; da gäbe es trotz aller fatalen Gradlinigkeit
und Konvergenz der Ereignisse doch keine innere Verwandtschaft
des Späteren mit dem Früheren. Vielmehr ist
das Geschehen — klaristisch an der Wesenwurzel begriffen
— eine rhythmisch-dynamische, lebendige Ent-
**) S. Z. d. N. Kap. XVIII—-XXI, wo die völlige Durcharbeitung des
klaristisehen Dynamovitalismus und seiner Terminologie gegeben ist,
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