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Tischner: Leib und Seele.
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moderne Philosophie zweifellos in positivem Sinne klärend
und fördernd auf den Okkultismus wirken; ein solcher
an der modernen Philosophie orientierter Okkultismus wird
aber wiederum hoffen dürfen seinerseits die Philosophie befruchten
zu können.
Eine der wichtigsten Fragen der Philosophie ist die
des Verhältnisses von Leib und Seele, und zwar ist es
keine rein akademische Frage, sondern e* seheint mir, daß
gerade der Okkultist gut tut, darüber möglichst zur Klar-
heit zu kommen, den/eben auf .einem Arbeitsgebiet kann
sie von Wichtigkeit für Versuchsanordnung und Beurteilung
von Versuchen werden. Im vorigen Jahrgang habe ich io zwei
Arbeiten (Heft 4 u. 5, sowie 8—9 u. 10) diese Frage in einem
bestimmten Zusammenhang behandelt und möchte jetzt bei
der Wichtigkeit der Frage das Thema von einer anderen
Seite her mfd umfassender* angreifen. Ich hoffe, wir werden
dabei wichtige Bestätigungen und Ergänzungen zu den
früheren Ausführungen erhalten. Jedoch scheint es mir
zweckmäßig, nicht das Problem gleich in seiner ganzen
Breite aufzurollen, sondern von einer Spezialfrage, von dem
Verhältnis von der Seele zum Gehirn auszuge hien. ULi er
geben nicht allgemeine Ueberlegungen den Ausschlag, son-
dern man kommt auf Grund von experimentell feststellbaren
Tatsachen zu einer Entscheidung über die Beziehung derb<i~
den zu einander und ihrer Bedeutung im Rahmen des Ganzen.
Vor mir liegen zwei Bücher: Verworn „Die Mechanik
des Geisteslebens *, 1907. 3. Aufl. 1914, und Becher * Gehirn
und Seele4', 1911. Sie behandeln beide sozusagen dasselbe
Thema, aber wenn man sie liest, sollte man nicht
glauben, daß sie in denselben Jahren erschienen sind, so
verschieden sind die Ausführungen über das Thema, Verworn
behandelt sein Thema so, als ob nun wirklich die
Mechanik des Geisteslebens prinzipiell und in großen Zügen
zweifellos feststehe, und als ob seiner Auffassung gegenüber
nicht gewichtige Bedenken und Schwierigkeiten geltend
gemacht worden seien. Kein Wort hört der Leser davon,
sondern in durchaus dogmatischer Weise wird nur Verworns
Ansicht vorgetragen. Und dieser Fehler wird weder durch
die Darlegung seiner philosophischen Ansichten, noch durch
den Einwand entschuldigt, in einem populären Büchlein
könne man keine Streitfragen erledigen. Entweder man
ist der Meinung, solche Bücher sollten nur Themen behandeln
, die geklärt sind, dann vermeide man eben solche
Themen, oder man ist der Meinung, man könne auch derartige
Gegenstände darstellen, dann darf man nicht in oberflächlichem
Popularisieren Meinungen als Tatsachen aus-
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