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Tischner; Leib und beeie.
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doch mit der Hausglocke keine Assoziation stattfinden. Die
Gleichzeitigkeit ist also zu berücksichtigen. So ist die
Physiologie dazu gekommen anzunehmen, daß Assoziationen
gestiftet werden zwischen Spuren, von denen gleichzeitig
in einer Fibrille von den Ganglienzellen aus die
Erregungen gegeneinander strömen. Man spricht da von
Ausschleifung oder Bahnung in der verbindenden Fibrille.
Worin diese Ausschleifung besteht und warum zwei gleichzeitig
gegeneinander strömende Erregungen bahnend wirken,
eine oft erfolgende einseitige jedoch nicht, ist nicht recht
zu sagen. Wenn man sagt, daß, falls Menschen hintereinander
durch ein Tannendickicht gehen, zwischen den
Tannen kaum ein Weg entsteht, sondern erst, wenn auch
in der Gegenrichtung eine Reihe Menschen das Tannen-
Dickicht durchquert, ein breiterer Weg gebahnt wird, so ist
das döch nur ein s#ehr vager Vergleich, der nichts erklärt.
Wie leicht ersichtlich, fordert diese Ausschleifungshypothese
, daß von den Ganglienzellen nach allen Richtungen
*lurch das ganze Gehirn Erregungen gehen und daß die
Vusschletfung nur auf d e * Bahn entsteht, auf der eine
BrreKong entgegenkommt.
Wenn nun aber im Laufe der Zeit eine große Anzahl
Ausschleifungen von einer Ganglienzelle aus erfolgt sind,
wie kommt es dann, daß nicht bei Reizung der Ganglien-
/«lle alle damit in gebahnter Verbindung stehenden Spuren
sofort reproduziert werden, denn das ist ja glücklicherweise
'licht der Fall. Ein Beispiel möge das verdeutlichen!
Neben mir liegt das Buch von Becher, wenn ich nun, —
wie das in den letzten Tagen oft der Fall war an den
Namen Becher denke, so fällt mir das Buch ein und sein
iiiir persönlich bekannter Verfasser, ich erinnere mich
unserer Gespräche usw., nicht dagegen wird die Spur eines
Prunkbechers in einem Museum oder meines Keisebechers
aktiviert, das geschieht erst jetzt in diesem Augenblick, in
iiem ich andere Assoziatiouen such e. Das Wort „Becher*
- teht nach dieser Anschauung sicher mit der Sehspur meines
üeisebechers in einer ausgeschliffenen Fibrille in Verbindung.
Warum ist diese bisher nie aktiviert worden? Das zeigt
also, daß gewisse Assoziationen gehemmt, andere dagegen
/«□gelassen werden. Diese Art physiologischer Sperrung
und Bahnung ist völlig unklar und wird von Verworn vergeblich
mit „Interferenz zweier dissimilatorischer Erregungen
* erklärt. Wie ist es physiologisch-mechanisch zu
erklären, daß die Erregung sich nur in einer — und
r#war der psychologisch gesprochen „ sinnvollen*
Richtung fortpflanzt? Wenn man sagt, daß die von der
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