Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
46. Jahrgang.1919
Seite: 60
(PDF, 171 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1919/0064
60 Psychische Studien, XLVI. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1919.)

dnng oder Beschränkung seines Selbstbestimmungsrechtes,
wenn nicht die führende Person so taktvoll und zartfühlend
ist, sich den Wünschen und Bedürfnissen des Blinden tunlichst
anzupassen. Aus diesem Grund mag es auch erklärlich
scheinen, daß viele Blinde es vorziehen, sich von Kindern
führen zu lassen, die ihren Anordnungen folgen und
keinen Anspruch auf fließende Unterhaltung erheben, den
Blinden vor allem aber nicht mit unerbetenen Beschreibungen
und Schilderungen des Straßenbildes usw. belästigen.
Unter den Kindern sind wiederum die Mädchen besonders
erwünscht, weil sie erfahrungsgemäß eine noch größere Anpassungsfähigkeit
haben, als gleichaltrige Knaben, und für
gewöhnlich stiller und aufmerksamer sind. Je geringer der
Zwang ist, dem der Blinde beim Geführtwerden unterworfen
wird, um so weniger empfindet er das Exzeptionelle seiner
Lage, was nicht ohne günstige Einwirkung auf sein gesamtes
Gemüts- und Seelenleben bleibt. Freilich darf nicht
verschwiegen werden, daß jugendliche Führer auch billiger
sind, als erwachsene, was im Hinblick auf die meist schwierige
Wirtschaftslage der Blinden zwar von Bedeutung ist,
aber vom psychologischen Standpunkt aus doch erst in
zweiter Linie Berücksichtigung verdient.

Nicht immer findet jedoch der Blinde ein Kind, das
ihn jederzeit führen kann, da es durch die Schule oder
häusliche Pflichten periodisch in Anspruch genommen ist,
währenddessen der Blinde auf Ausgänge verzichten muß
oder gezwungen wird, eventuell mit einer weniger sympathischen
Hilfskraft vorlieb zu nehmen. Ersteres ist nicht
immer möglich, zumal, wenn es sich um einen Nichtsehen-
den handelt, dessen Beruf ihn zu vielen Gängen nötigt
(Klavierstimmer mit Hauskundschaft), das letztere aber beengt
ihn und verursacht ihm Mißbehagen, dessen Entstehung
wir bereits oben schilderten. Daß in dieser Hinsicht
viele Blinde ungerecht oder überempfindlich sind, läßt
sich keineswegs bestreiten, dennoch dürfte es vergebliche
Mühe sein, durch Zuspruch oder Vorhaltungen eine Sinnesänderung
herbeiführen zu wollen. Das Resultat wird in
der Mehrzahl der Fälle ein direkt entgegengesetztes sein.

Aus allen diesen Gründen tritt bei einer großen Zahl
von Nichtsehenden das Bestreben hervor, ohne Führer zu
gehen und selbst vor schwierigen Wegen nicht zurückzuschrecken
. Zwar verhehlen sie sich keineswegs die Gefahren
, denen sie sich hierdurch selbst aussetzen, namentlich,
wenn es sich um Großstädte mit regem Verkehr handelt, aber
das G ef ühl des Unabhängigseins bietet ihnen so starke Reize,
daß sie im Vergleich zu demselben alles andere gering achten.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1919/0064