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Gerhardt: Das Ferngefühi de» Bünden. t>5
als Band 2 der „Neudrucke zur Psychologie*, Herausgeber
: Dr. Fritz Giese, Berlin, VII. 283 8., geb. 7 50 M.,
Wendt u. Klau well, Langensalza 1917) schrieb, er habe die
unzweifelhafte Empfindung, als sei aie Luft in unmittelbarer
Nähe eines festen Gegenstandes dicker als im unbehinderten
Freien. Seine Gesichtsbaut reagiere sofort bei
der Annäherung auf diese Druckverschiebung, so daß er
schon aus gewisser Entfernung auf das Vorhandensein von
Hindernissen schließen könne. Je breiter und höher der
Gegenstand sei, um so intensiver mache sich der Luftdruckunterschied
bemerkbar. Ja, er möchte fast soweit gehen, zu
behaupten, daß jeder lebende und tote (gemeint ist organische
und anorganische) Körper gewissermaßen von einer unbestreitbaren
Dunsthülle umgeben sei. Er behaupte das auch
von seinem eigenen Körper, denn er habe stets beim Vorübergehen
an anderen Menschen, auch an Bäumen und
dergleichen die Empfindung gehabt, als mache sich ein
unendlich feiner Widerstand bemerkbar, wenn sich die
beiden Dunsthüllen berührten oder momentan gegenseitig
verdrängten. Es wäre diese persönliche Beobachtung ein
neuer Beleg für die Annahme von Strahlungen, die von
jedem Körper ausgehen und sie gleichsam mit einer ätherischen
Hülle umgeben. Wie wir aus den verschiedensten
Gründen bestimmt annehmen dürfen, hat sich unser Gewährsmann
mit diesen Fragen theoretisch nie beschäftigt,
ja, sie werden ihm sogar gänzlich unbekannt geblieben
sein, so daß wir hier einer rein empirischen Tatsache gegenüberstehen
. Von anderer Seite wurden uns ähnliche Ideen
nahegelegt, so daß wir uns zu der Annahme berechtigt erachten
, es könne fein empfindende Organismen geben, die
nicht ausschließlich auf körperliche Sinneseindrücke angewiesen
sind.
In der oben erwähnten Schrift äußerten wir, die Gegenstände
müßten bis zur Gesichtshöhe hinaufreichen, um wahrgenommen
werden zu können. Für die große Zahl der
Blinden trifft dieses Postulat vollkommen zu, doch sind
uns nachträglich auch Fälle bekannt geworden, die uns
nötigen, eine Korrektur unserer Ansicht vorzunehmen. Es
hat sich nämlich ergeben, daß gewisse Blinde sogar nur
fußhohe Hindernisse, wie die dünnen Einzäunungen von
Rasenplätzen in Anlagen usw. erkennen, obwohl von diesen
weder eine wahrnehmbare Schall- noch Geruchswirkung
ausgehen kann, deren Dunstkreis auch ein so geringer
wäre, daß er von jeglicher Empfindbarkeit ausgeschlossen
bleiben müßte. Allerdings handelt es sich hier um so
phänomenale Ausnahmefälle, daß wir glauben, eine beson-
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