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v. Schrenck-Notzing: Zur Psychologie des Gebets usw. 131
James*) hingewiesen hat, ob sieh unmittelbare religiöse
Erfahrung durch ein rein intellektuelles Verfahren überhaupt
nachweisen läßt. Ferner wäre zu berücksichtigen
daß übercnipirischc Erlebnisse im Fall ihres wirklichen Vor_
kommens sich möglicherweise überhaupt sprachlich nicht
ausdrücken lassen und im Augenblick der Berührung mit
dem Bewußtein den Denkformen der raumzeitlichen Wirklichkeit
verfallen. Endlich wissen wir heute noch nicht,
wie weit die Übertragung unserer naturwissenschaftlichen
Methoden auf die Eigenart dieses Seelengebiets anwendbar
ist.
Die ungemein klaren Ausführungen Oesterreichs behandeln
nun die religiofcspsychologisehen Tatbestände ledig-
lieh vom Standpunkt de? Akademischen Psychologie Jk
lassen absichtlich die Beantwortung des damit verknüpften
parapsychologischen Problems unbeantwortet, so vor allem
die frage, ob und wieweit das intuitiv erzielte Wissen der
religiösen Mystiker die Grenzen des sianlich Erfahrbaren
überschreitet, z. B. auf dem Gebiet der Prophezeiungen.
Nach James**) sind die auf mystischem Wege (also
durch Entwicklung der Fähigkeit zum Hellsehen) zu gewinnenden
Wahrheiten, soweit sie sich auf die diesseitige
Welt beziehen, folgende: Das Schauen der Zukunft, das
Verstehen fremder Seelen, «las plötzliche Verstehen von
Schriftworten und die Erkenntnis ferner Ereignisse (fern in
Zeit und Raum).
Was die parapsychische Erscheinung des Vermögens
der Durchschauung anderer bei religiös wichtigen Personen
betrifft, so glaubt auch Oesterreich, daß für dieses Phänomen
analoge Vorkommnisse real gesichert seien. Er weist
auch auf die diesbezüglichen Vorgänge bei Frau Piper hin.
So notwendig ihm die wissenschaftliche Untersuchung der
parapsychologischen Vorgänge erscheint, so warnt er doch
die Religionswissenschaft vor übereilten Hypothesen und
Schlußfolgerungen wegen der enormen Schwierigkeit dieser
Aufgabe gNacf seine? Auffassung ist die antik e= Kultur an
den parapsychologischen Problemen, weil sie ihrer nicht
Herr werden konnte, geistig zu Grunde gegangen.
Oesterreichs „Einführung in die Religionspsychologie*
ist nicht nur grundlegend für diese Wissenschaft, sondern
sein vorzügliches Werk wird auch für alle, die das okkultistische
Problem beschäftigt, eine Quelle des Wissens und
der Belehrung bleiben.
*) W. James-Wobbermin: Die religiöse Erfahrung, Leipzig 1914, S. 36.
**) James, loc. cit. S. 327.
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