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165 Pftychitche Htodicn. XLVI. Jahnr. o lieft. ,M*rz J&lfc >
hältnis von Leib zu Seele ist und ob und wie eins aufs andre wirkt.
— Den Materialismus, den ich schon früher gewürdigt habe (Ps.
Stud. 1918), will ich hier nur nebenbei erwähnen. Für ihn ist die
Seele entweder selbst etwas Materielles oder sie ist eine Bewegungsart
der Materie oder schließlich laßt er sie als ein Erzeugnis
der Materie auf; alles das wird der Eigenart des Seelischen nicht
gerecht und soll uns hier nicht weiter beschritten.
Der Naturforscher wird natürlich, sobald er sich mit unserm
vorliegenden Problem beschäftigt, es in der Weise behandeln,
daß er die Anschauungen, die er sich auf seinem Gebiet gebildet
hat, auch auf dieses Gebiet überträgt und er wird e3 als selbstverständlich
ansehen, daß er auch hier seine Grundgesetze bestätigt
finden wird. Er sieht in seinem Gebiet immer, wie eine
physische Veränderung die andere im Gefolge hat, und so wird
er auch hier keine Ausnahme gestatten wollen, ja er wird allem
aus dem Wege gehen, was nur von fern wie eine Ausnahme aussehen
könnte. Für ihn wird also der physische Zusammenhang
unverbrüchlich sein, und er wird geltend machen, daß andernfalls
das Weitgesetz von der Energieerhaltung verletzt werden wurde.
Für ihn wird es also ausgeschlossen sein, daß Psvchisches auf
Physisches wirkt oder umgekehrt, und wo er Psychisches wahrnimmt
oder mit Grund annehmen muß, da wird er sich nur denken *
können, daß es dem Physischen parallel läuft, ohne in das physische
Geschehen einzugreifen, denn für ihn ist die Kausalität iu
der physischen Welt lückenlos geschlossen und nirgends Rauns
für Einwirkung des Psychischen.
Von anderer Seite wird auf gewisse Schwierigkeiten dieser
Anschauung aufmerksam gemacht und eine Wirkung des Physischer
auf das Psychische und umgekehrt angenommen; d. h. man behauptet
im Gegensatz zum oben skizzierten psychopbysischen
Paralielismus die psycho physische Wechselwirkung. Man
wird nicht leugnen können, daß vieles für letztere spricht; es ist
gewiß die Meinung des gesunden Menschenverstandes anzunehmen,
daß irgend eine Veränderung in der Außenwelt durch Vermittlung
meiner Sinne in meiner Seele Lust oder Ujilust bewirken kann.,
und daß ebenso, wenn ;eh etwas zu haben wünsche, dieser Wunsch
meine Armbewegungen verursacht. Niemand wird, bevor er Philosophie
studiert hat, diese Wechselwirkungslehre ablehnen, sondern
sie vielmehr für selbstverständlich halten.
Die Vorgänge in der materiellen Reihe folgen kausal aufeinander
, eine iNervenerregung ist die Ursache einer anderen usw.
Da es nun gemäß der Paralielismuslehre keine ätiotrope Kausalität
d. h. keine Wirkung der einen Reihe auf die andere gib*,
so muß also auch eine geschlossene Kausalität in der psychischen
Reihe gefordert werden. Das scheint aber aller Beobachtung p&
widersprechen, indem wir oft bemerken, wie eine Wahrnehmung
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