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160 Psychische Studien. XLVI. Jahrg. 3. Heft O urz 1919)
Strichen auf den Telegrammen eine so verschiedene, ja entgegengesetzte
Wirkung haben? Auf Grund derWeehselwiikungstheorie
verstehen wir leicht, daß das erste Telegramm eine zufHedene
Stimmung auslöste, die sich auch im körperlichen Tun zeigte, und
es ist auch verständlich, daß das zweite Telegramm so ganz andre
Folgen hatte. Der Sinn der zwei Telegramme war eben sehr
verschieden bei aller äußerlichen Ähnlichkeit Wie will aber eine
mechanistische Psychologie die verschiedenen Wirkungen so ähnlicher
Reize erklären, da sie von psychologischen Dingen wie
«„Sinn" völlig absehen, sondern rein im Physikalischen bleiben muß?
Wenn ich einem Menschen im Wachzustande eine Freimarke
auf den Arm klebe und ihm sage, das sei ein Blasenpfhtster, so
ereignet sich garnichts; tue ich aber dasselbe bei ihm in der Hypnose
, so wird sich eine Rötung der Haut mit Schmerzen einstellen.
Es hat also genau derselbe Reizkomplex verschiedene Wirkung!
Die Wechselwirkungstheorie wird sagen, der Unterschied in der
Wirkung beruhe darauf, daß das eine Mal die Suggestion angenommen
wurde, infolgedessen konnte der Sinn der Worte wirken,
während das andere Mal die Suggestion abgelehnt wurde und infolgedessen
diese Worte ihrem Inhalt nach im Psychischen keine
Folge natten. Der Parallelist wird nicht erklären können, wie dieselben
Worte so verschiedene Wirkung haben können. Sollte er
sagen, die ganze Lage des Falles sei physisch infolge der Hypnose
anders, so ist immer noch nicht geklärt, wie so ein paar Schallwellen
durch Wirkung auf Ohr und Nerven auf der Haut eine
Rötung erzeugen kennen, und als ganz ausgeschlossen darf es
gelten, auf diese Weise zu erklären, daß diese Wirkung gerade an
der Stelle und in der Art erfolge, wie es der Inhalt der Worte
verlangt und erwarten läßt, was hier umso weniger zu \erstehen
ist, als es sich um eine erstmalige Wirkung handelt, sodaß also
der Gehörreiz im Gehirn nicht auf durch frühere ReJ/e schon ausgeschliffenen
Bahnen diese Wirkung her vorn ^cn Kernte.
Wie hier zwei identische Reize verschiedene, so können
anderseits zwei sehr verschiedene Reize dieselre Wirkung
haben, so z. B. wenn ich jemand gegenüber einen Befehl ausspreche
oder ihn auf einem Zettel aufgeschrehen vorzeige oder
ihn in zwei Sprachen ausspreche. Versieht der Betreffende beide
Sprachen, so wirken zwei recht verschiedene Rei/e in ganz gleicher
Weise; sage ich dann dieselben Worte z«i jemand, dei die eine
Sprache nicht versteht, so wirkt der eine Reiz in derselbe n Weise
wie bei der ersten Person, der zweite daee^en wirkt nicht Das
ist wiederum ganz verständlich, wenn das Psychische der Sinn
des Schatlreizes — bei dem Vorgang mitwirkt, bleibt aber unverständlich
, wenn man eine solche Einwirkung bestreitet. - Das
Betspiel von dem gesprochenen und aufgeschriebenen Befehl läßt
mm an die im ersten Teil erwähnten Tatsachen denken, wo wir
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