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186 Psychische Studien. XLVL Jahrg. 4. 5. Heft (April-Mai 1919)
durch die Knochen absorbiert werden und diese daher als Schatten
auf dem Bilde erscheinen, durchdringen die /-Strahlen Fleisch und
Knochen fast gleich gut, sodaß keine Kontraste entstehen.
Die Radiumstrahlen werden auch in der Medizin verwendet.
So hat man mit Erfolg gewisse Krebsarten vollständig
geheilt. Auch rheumatische Krankheiten, Gicht und dergleichen
werden mit Radioemanationen behandelt. Ferner hat man beobachtet
, daß ein radioaktives Präparat durch Einspritzung in die
Blutbahn auf die Milz eine anregende Wirkung ausübt, was sich
durch eine kolossale Vermehrung der weißen Blutkörperchen kundtut
. Allerdings dürfen nur geringe Dosen Verwender werden. Gelangen
jedoch größere Mengen zur Anwendung, so tritt das Umgekehrte
ein d. h. es findet eine Reduktion der weißen Blutkörperchen
statt, die bisweilen den Tod zur Folge hat. Diese Reduktion der
Blutkörperchen findet praktische Verwendung zur Heilung der
Leukämie. In diesem Falle ist deren Reduktion natürlich sehr
erwünscht.
Durch die Entdeckung der radioaktiven Stoffe wurde das Gesetz
von der Erhaltung der Energie und das von der Erhaltung
der Materie scheinbar umgestoßen. Denn das Radium übermittelt
dem Äther Energie in Form der t -Strahlen — als Ätherwellen —,
es gibt elektrische Energie in Form von Elektronen — /^-Strahlen
— oder auch als Ladung ab (a-Strahlen). Das Radium'schleudert
aber auch fortwährend Materie weg, in Form der «-Strahlen, als
positive Heliumjonen und die Elektronen der ^-Strahlen, die wir
in gewissem Sinne ebenfalls materiell deuten.
Bis vor kurzem standen wir diesen Erscheinungen ohne Erklärung
gegenüber. Die radioaktiver! Körper schütteten Energie
und Materie in den Raum hinaus, ohne daß sie selbst an Gewicht
abnahmen. Sie produzierten beides, ohne daß sie konsumierten
. Das war das Rätsel, das war der Widerspruch. Indessen ist
dieser in der neueren Zeit gelöst worden. Mit feinen Wagen, mit
denen durch Änderung der Luftdichte operiert wird, wurde nun
tatsächlich eine Gewichtsabnahme der radioaktiven Substanzen
festgestellt; daß dies nicht schon früher entdeckt wurde, beruhte
auf der Unzulänglichkeit unserer Messungsmethoden.
Aber auch der Begriff des Atoms hat eine Wandlung erfahren
müssen. Die Atome %aren bis vor kurzem der letzte Baustein
der Materie 0/ fho^g das Unteilbare!) Jetzt stellen sie uns nur
mehr eine Aggregation von Elektronen dar. Der wissenschaftliche
Wert der Atomtheorie ist dadurch jedoch nicht wesentlich
geändert worden; immer sind die Atome bestimmte Aggregationen
, die während chemischer Umsetzungen als solche erhalten
bleiben. Ähnliche Komplexe wie die Ammoniumgruppe NH4 —•
Es ist nun von höchster Bedeutung gewesen, die Natur des
Atoms selbst erkannt zu haben. Denn für den Physiker wurde die
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