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D6r: Die Wirkung in die Ferne
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habe ich diesmal ausgeschaltet. Ich habe weder Phänomene
des hypnotischen noch des somnambulen Zustandes
zu erklären oder zu negieren versucht. Das, was ich eine
mWillenswelle* nenne, scheint auf den ersten Blick mit der
Nervenkraft von E. v. Hartmann identisch zu sein. Bei
näherem Zusehen wird man aber finden müssen, daß dies
nicht der Fall sei. Hartmann läßt die „Nervenkraft* ohne
jede Bedingung spielen, in Wärme und Licht sich umwandeln
i*nd so zu einer physischen Kraft werden, die
dann ihre Arbeit verrichtet. Meine „Willenswelle* ist auch
eine Kraftäußerung, sie ist aber einheitlich, wirkt ohne
ßüeksieht auf die Entfernung, erheischt aber gewisse festgesetzte
Bedingungen. Wie gesagt, jene Erscheinungen zu
erklären, welche über den normalen Schlaf hinausgeben,
die eine tiefgehende Änderung unseres Bewußtseinszustandes
bedingen, habe ich vorläufig unterlassen. Ich habe nicht
genügend eigenes Tatsachenmaterial gesammelt, gesichtet
und geprüft.
Ich zweifle nicht im Vorhinein an den Erscheinungen,
welche in der Phänomenologie des Spiritismus niedergelegt
sind, ich bin vorläufig bloß Zweifler an der Richtigkeit
dessen, was zu deren Begründung gesagt wird. Ich suche
diese nicht außer uns, ich glaube sie dereinst auch in uns
selbst zu finden.
Es wird begreiflich, wenn ich noch sage:
Manches, so besonders der Abschnitt über die Beeinflussung
durch leblose Dinge, Träume, Erscheinungen, Spuk,
und der Abschnitt, der sich mit den Geisteskrankheiten
befaßt, mag vielleicht sonderbar erscheinen und eine als
mystisch verspottete Anschauung wiedergeben. Diesbezüglich
verweise ich auf das vortreffliche Werkchen: Verbrechen
und Aberglauben** von Dr. Albert Heibig (Leipzig 1908),
welcher hierüber sagt: „Mancher Kern von Wahrheit mag
in der einen oder andern derartigen als mystisch verspotteten
Anschauung enthalten sein, und es wäre wünschenswert
, wenn die moderne Wissenschaft der Untersuchung
derartiger okkulter Phänomene nicht so ausweichen würde.
Daß auch die berufensten Vertreter der Wissenschaft sich
irren können, zeigt die Geschichte der Suggestion und des
Hypnotismus, deren Erscheinungen und Wirkungen jahrzehntelang
von der offiziellen Wissenschaft als Schwindel
und Humbug gekennzeichnet wurden, während sie heutzutage
allgemein anerkannt sind.*'
Ich will es aber auch betonen, daß ich mir keineswegs
anmaße, eine gründliche, umfassende, wissenschaftliche Arbeit
geleistet zu haben; dazu mangelt es mir hier an den
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