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126 Psychische Studien. XL VI. Jahrg. 4.-5. Heft. (April-Mai 1919.)
wir von der so rätselhaften Schwerkraft, die durch den leeren
Raum in ungeheure Fernen anziehend wirkt? Auch das ist völlig
unverständlich. Verlangen wir also auf unserm Gebiet nicht zuviel
! Ich denke jedenfalls, der Parallelismus ist abgetan, begnügen
wir uns also, wie auf anderen Gebieten, so auch hier mit der Tatsache
, daß die Beiden aufeinander wirken!
Schauen wir jetzt am Ende unsrer Wanderung den langen Weg
zurück, so sahen wir, wie die mechanistische Psychologie durchaus
unvermögend ist, die psychischen Tatsachen zu erklären. Trotz
sehr gewundener Hypothesen, deren eine auf die andere gehäuft
wurde, gelingt es nicht, mit rein physiologischen Mitteln die einfache
psychische Tatsache des Gedächtnisses zu erklären; es ist
nicht möglich, ohne Zuhilfenahme von psychischen Begriffen die
Tatsachen verständlich zu machen. Dadurch wurden wir dazu
gedrängt, ein selbständiges Psychisches anzunehmen, und ich habe
ja auch schon in einem früheren Aufsatze auf diesen Überlegungen
aufbauend, im Gegensatze zu einer physikalischen Theorie der
Gedankenübertragung, auf die Möglichkeit einer psychischen
Theorie hingewiesen (Psych. Studien 1918, Heft 4/5). Betont sei
auch nochmals, daß die Versuche und Überlegungen Becher's gewichtige
Gegenbeweise gegen den Materialismus darstellen, denn
etwas Geistiges, das unabhängig von der Materie bestehen bleibt,
widerstreitet der Auffassung des Geistigen durch den Materialismus
, da er es nur als vergängliches Nebenprodukt kennt.
Zeigten diese Überlegungen und Versuche schon, daß Psychisches
an Physisches nicht untrennbar gebunden ist und also
keine Parallelerscheinung zum Physischen ist, so haben wir im
zweiten Teil von anderen Gesichtspunkten aus das Verhältnis beider
zu einander genauer untersucht. Wir wogen die Paralleütäts-
und die Wechselwirkungstheorie gegeneinander ab und kamen zu
dem Ergebnis, daß die Parallelitätstheorie zu ganz paradoxen Folgerungen
führt und *ißerdem aus grundsätzlichen Überlegungen
heraus abzulehnen ist, während die Wechselwirkungstheorie den
Tatsachen gerecht wird und auch theoretisch befriedigt.
Der Okkultismus wird gut daran tun, auch seinerseits die entsprechenden
Folgerungen zu ziehen und sich nicht einseitig auf
eine mechanistische Psychologie festzulegen, vielmehr sollte er
erstreben, auch auf seinem Gebtete möglichst den Anschluß an
idealistische Anschauungen zu suchen. Die paraUelistisehe Ansicht,
die auf normalem Gebiete als unzureichend dargetaa wurde, wird
demnach auch auf okkultistischem nichts leisten. Man sollte sich
also hüten, wie es geschehen ist, zu sagen, vom naturwissenschaftlichen
Standpunkt aus sei diese oder jesü psychisehe Erscheinung
potentielle oder kinetische Energie* damit andeutend, daß
sie vom psychologischen Standpunkt aus etwas anders sein mag.
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