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Kaindl: Eine Materialisations-Theorie.
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rückens Dicke zeigte. Dieses Oel nahm die Gestalt zahlloser
Melissenblätter an, die nicht in einander übergingen,
sondern vollkommen begrenzt blieben und alle die Merkmale
zeigten, welche sich an den frischen Blättern der
Pflanzen zu erkennen geben. Oetinger sagt, er habe die
Flüssigkeit einige Zeit aufbewahrt und vielen Leuten gezeigt
. Da er endlich davon zu nehmen wünschte, schüttelte
er das Gemenge, und mit dem Aufrütteln des Oels
liefen die Blätter ineinander, nahmen aber wieder ihre abgegrenzte
Gestalt an, sobald die Phiole eine Zeitlang gestanden
hatte.
Wie wait diese Versuche wirklich ausführbar sind,
kann ich nicht sagcu. Der Umstand, daß sie nicht nachgemacht
oder wenigstens erfolgreich nachgemacht wurden,
ist kein entscheidender Beweis gegen ihre Möglichkeit,
wie alle Personen wohl wissen, die mit den Annalen der
Chemie bekannt sind. Sicherlich findet aber hier ein merkwürdiges
Zusammentreffen zwischen diesen Einzelheiten
und den Erfahrungen Billings statt, wo wir gesehen haben,
daß nach seinem Berichte, den wir zu bestreiten nicht berechtigt
sind, die Gestalt stets wieder in ihre ursprüngliche
Form zurückkehrte, nachdem sie durch PfeffePs Stock
etwas zerstört worden war. (S. 147, 148, und Dr. Herbert
Mayo „ Wahrheiten im Volksaberglauben11, S. 65, 66.)*)
Aus den beiden aus Chesne's Werken angeführten
Versuchen ginge unzweifelhaft hervor, daß sich die Organisationskraft
auch noch nach Zerstörung des von ihr ge-
schienen Organismus in einer physischen oder über-
physischen Essenz desselben in der ihr eigentümlichen
weise offenbaren kann. Die Möglichkeit einer derartigen
Wirksamkeit hängt offenbar von dem reichlichen Vorhandensein
derjenigen Substanz in jenen Essenzen ab, welche
das Substrat oder den Träger der Organisationskraft bildet.
Möglicherweise ist diese überphysische Substanz dasjenige
Element, welches Reichenbach „Öd* getauft hat oder auch
das, was^ man früher unter Vitalität, Lebenskraft oder
Lebensgeist verstand.
Der Parallelismus, den Fournier d'Albe zwischen Materialisation
und Embryologie nachzuweisen versuchte, besteht
meines Erachtens auch zwischen diesen und der
„Palingenesie*\ In allen diesen verschiedenen Arten von
organischer Produktion handelt es sich „um eine Substanz,
welche die Tendenz hat, sich zu einer Form auszubilden,
*) Man v^gleiche damit auch den in Dr. M. Wiener*'» „Selma" berichteten
Fall (S. 201-203).
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