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232 Psychische Studien. XJLVL Jahrg. 4.-5. Heft, (April-Mai 1919.)
Phänomene — Erscheinungen in der Ferne, II. XI) entwickelt
er hierüber folgende höchst beachtenswerte Gedanken
:
,Xst es wirklich notwendig, daß wir, um die mediu-
mistischen Phänomene zu erklären, noch auf die spiritistische
Hypothese zurückgreifen müssen ? Wir haben gesehen
, daß, wenn wir die Notwendigkeit einräumen, für
gewisse Phänomene eine außermediumistische (d. h. außer-
halb des Mediums wirkende) Ursache zuzugestehen, diese
Ursache sich in der außer körperlichen psychischen und
physischen Wirkungskraft des lebenden Menschen befinden
könnte. Wenn diese Tatsache feststeht, so würden sich
die Geheimnisse des Spiritismus „natürlich*, ohne ,Ver-
mittelung der Geister* erklären. Wenn es einen „Geist*
gibt, so würde das der „Geist* des lebenden Menschen
sein — und nichts weiter.* — Allerdings glaubt Aksäkow,
daß dieser Schluß eine Schwächung erfahre durch gewisse
theoretische Erwägungen, wie sie^ich aus den TaLchen
des Doppelbewußtseins ergeben. Zwingender jedoch als
solche spekulative Gedanken scheinen mir in dieser Beziehung
die nackten Tatsachen endemischer Spukvorgänge zu
seiS, insofern als sich in solchen Fällen \lie sit verur-
sachende außerkörperliche psychische und physische Wirkungskraft
nicht auf einen lebenden Menschen, sondern nur
auf einen Verstorbenen zurückführen läßt.
Yon den ziemlich zahlreichen Fällen dieser letzteren
Art von Spuk, den man, wie die Krankheiten, in einen
akuten und chronischen teilen könnte und der auch tatsächlich
auf gewissen akuten oder chronischen Störungen
der Psyche beruhen dürfte, sei hier als Beispiel ein Fall
angeführt, welchen C. Crowe in ihrem bereits erwähnten
Werke „Die Nachtseite der Natur* als einen von unanfechtbarer
Glaubwürdigkeit bezeichnet und der darin wie folgt
geschildert wird:
„Vor einigen Jahren starb in Erfurt ein 70jähriger
Musiklehrer. Er war ein Geizhals gewesen und hatte stets
einen bittern Haß in sich getragen gegen den. Komponisten
Professor Sink, von dem m erwarten stand, daß er ihm in
seinem Amte nachfolgen werde. Der alte Mann bewohnte
ein Gemach neben dem Unterrichtszimmer und war darin
auch gestorben. Am ersten Tage nun, an welchem Sink
als Lehrer seinen Dienst versah, meinte er, als die Schüler
eben das Lied sangen: ,Aus der Tiefe ruf ich dich', er
sehe durch eine Öffnung in der Tür im inneren Zimmer
etwas sich hin und her bewegen. Das Zimmer war ohne
Möbel und es konnte niemand darinnen sein, weshalb Sink
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