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Zeller: Die Bedeutung d. Okkult, für d. zukünftige Entwicklung 255
entwickeln konnte, ist der extreme Sozialismus. Hat dieser die
Macht, so führt er durch seine unzeitige Sozialisierung der Betriebe
naturnotwendig zum Bolschewismus und damit zur Zerstörung
der Kultur. Derweil sinkt die Religion, ihres Zusam-
menhanges mit der Zeitbildung immer mehr beraubt, langsam
zum Köhlerglauben herab. Die Massen sind ihr schon
längst entglitten, auch die Mehrzahl der modern Gebildeten
steht ihr fremd gegenüber. Wohin die Massen ohne Religion
kommen, das sehen wir ja jetzt mit Schrecken. Die
ReliMon sollte das Erkenntnisideal in ihr Programm auf-
nehmen und die moderne Bildung andrerseits die Mystik.
Die Typen des Frommen und des wissenschaftlich Gebildeten
sollten sich zu einem neaen Typus verschmelzen, und bei
alledem würde der Okkultismus das Bindeglied, das, was
den Wissenschaftler zur Religion und den Frommen zur
modernen Zeitbüdung hinüberführt, sein.
Gelingt es uns nicht, unsere Kultur auf eine völlig
neue Grundlage zu stellen, so wird sie sich den zerstörenden
Mächten gegenüber nicht mehr halten können. Hier
hat der wissenschaftliche Okkultismus eine ungeheuer wichtige
Aufgabe. Er allein ist imstande, die vom modernen
Protestantismus schon längst gesuchte Verbindung zwischen
Glauben und Wissen herzustellen. Seine Anerkennung
durch die offizielle Wissenschaft muß eine Umwälzung im
geistigen Leben hervorbringen wie keine andere Bewegung
seit der Reformation. Nur müssen vielleicht vorher noch
Teile der Theosophie in den Okkultismus herübergenommen
werden, da er sonst zu wenig philosophisch verwertbare
Resultate, fast nur Rätsel statt Lösungen bietet. Selbstverständlich
sind die Steiner'sehen Faseleien zurückzuweisen.
Steiner hat nach meiner Anschauung ähnlic h wie Swedenborg
als Hellseher in der Erkennung des Näherliegenden,
z. B. der menschlichen Aura, Hervorragendes geleistet. Aber
alles Fernerliegende, die Spekulationen über die vorgeschichtlichen
Entwicklungsstufen der Menschheit auf den einzelnen
Planeten, seine allegorische Auslegung des Johannesevan-
geiiums, all dies ist nichts als barer Unsinn, großenteils von
den Indiern oder anderen Richtungen herübergenommen.
Es wäre also nach meiner Auffassung die Aufgabe des
wissenschaftlichen Okkultismus, soweit es möglich ist, die
Trennungslinie zwischen Wahrem und Falschem in der
Theosophie zu ziehen und dabei sorgfältig die geisteswissenschaftliche
Methode zu untersuchen, nach der die Erkennung
der Aura und andrer Lichterscheinungen möglich ist«
Etwa der Weg von Rochas und Durviile sollte noch weiter
verfolgt werden. Letzterer verbindet ja beide Forschungs-
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