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*<58 Psychische Studien. XL VI. Jahrg. 4.-ß. Heft (April-Mai 1919.)
Et hett noch immer good jegange!
Von Werner Fri edriehsort.
Man hört da recht häufig ein durchaus absprechendes
Urteil über die modernen Zustände bei unseren Behörden:
Jeder will zu sagen haben, da werden Leute an maßgebende
Stellen gestellt, die von der Sache nichts verstehen
! Was soll daraus bloß werden?! — Gemach! Die
kulturelle Entwickeluug hat es an sich, daß sie stets in
Pendelschwingungen fortschreitet: von einem Extrem schlägt
sie aus ins entgegengesetzte j in keinem Extrem aber Weißt
sie dauernd, D?au°er fst nur % Wechsel! Aus der grenzen-
losen Siegestimmung der Vorjahre ist jetzt eine furchtbare
Verzweiflung der Niederlage geworden — wir dürfen sicher
hoffen, daß auch dieser Pendelschlag wieder zurückschwingen
wird! Ein altes bewährtes rheinisches Wort sagt: Et hett
noch immer good jegange! Mit anderen Worten der Ausdruck
hoffnungsvollen Vertrauens auf eine Macht, die über
unserer Kraft stehend, unser Schicksal leitet. Ob man sie
von religiösem Standpunkt aus „Gott* nennt, bleibe jedem
überlassen, keinem aber wird erlassen, im Laufe der Jahrzehnte
seines Lebens selbst diese Macht kennen zu lernen!
Aber wenn er dann einen größeren Zeitraum ruckblickend
überschaut, dann wird er dem Worte zustimmen: -et hett
noch immer good jegange!« und.daraus wird er di". Hoff-
nung schöpfen: et ward ok ferner godd jehe! — All unsere
Pläne sind lose Phantasiegebilde — daß sie sich verwirklichen
, können wir erhoffen, aber in keiner Weise verbürgen;
die Erfahrung lehrt uns, daß auch die schwierigsten und
verwickeltstel Verhältnisse immer noch eine Lösung ge~
funden haben, die zu unserem Wohle geführt hat Und
daraus entspringt das Gottvertrauen, das wir nicht verlieren
wollen! — Da wird mir eingewendet: Wie kann der Allmächtige
, der das Weltall regiert, sich um dein kleines
Dasein kümmern! ? — Wenn er, »vor dem die Worte
kehrenum, und die Gedan^ken^ ohne ihn zu
finden*, mir gliche, dann könnte ich das freilich nicht
begreifen — so aber steht mir die Gottheit hoch erhaben
über jedem Zweifel! Trotz aller Pendelschwingungen von
Extrem zu Extrem, ist der Weg der Gottheit gradlinig —
wir werden ihn erkennen, ist i uns jetzt aul noclAn-
verständlich. Auf welchem Standpunkt wir auch stehen —
der Weg psychischer Studien führt uns zu ihm, zu seiner
Erkenntnis!
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