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272 Psychische Studien. XLVI, Jahrg. 6. Heft. (Juni 1919.)
heit, ob wirklich alle Bilder, welche die Kennzeichen der ersten
Gruppe an sich tragen, von Hubert berühren, und die der zweiten
Gruppe von Jan konnte ich im hiesigen Museum gewinnen. Diese
Sammlung besitzt zwei Eycks. Das eine stellt das Porträt eines
Goldschmieds dar, der einen Ring in der Hand hält. Auf dem
Originalrahmen ist eine Art Gedicht geschrieben, in dem Jan sich
freut, an dem Fest teilgenommen zu haben. Es ist sonst nicht
signiert. Das Bild zeigt das Rutenpendelmonogramm der zweiten
Gruppe.
Das zweite Bild ist das Porträt eines Kardinals. Es zeigt
das Rutenpendelmonogramm der ersten Gruppe, es ist also zweifellos
von Hubert. Beide Bilder blieben in ihrer Befestigung an der
Wand Eine Verwechslung der Brüder untereinander und mit
andern Meistern ist somit von nun an unmöglich.
Ich benutze beim Pendelgewicht die Kugel« oder Zplinder-
form, die Ringform ist wohl vielfach unzweckmäßig. Ich danke
bei dieser Gelegenheit für die warme Unterstützung durch Herrn
Direktor Glück.
Die Madonna Pale ist von Jan.
Hochinteressant st das Studium der beiden Madonnen in der
Galerie Colonna in Rom. Jede ist auf demselben Bilde mit sieben
kleinen Randbüdern umgeben, welche in dem einen Bilde sieben
freudige Erlebnisse (allegrezzej darstellen, auf dem andern sieben
traurige (tristezze). Man hat in neuerer Zeit bezweifelt, daß beide
Werke von einem Eyck herrühren. Die Untersuchung ergibt nun
folgendes. Im ersten Bilde liefert die Madonna vom untersten
Teile der Figur bis zur Stirne das Hubertrutenpendelprogramm,
vom Scheidel an und von dem umgebenden Glorienkreis ein höchst
minderwertiges Schablonenmonogramm (Rute 360°, Pendel zwei
kleine Kreise mit einer Linie dazwischen). Von den sieben Rund*
bildern — im Sinne des Uhrzeigers geordnet — zeigen die drei
letzten das Hubert Eyck-Monogramm, die vier ersten das Schablonenmonogramm
- Im zweiten Bilde zeigt die Figur der Madonna
bis zum Kopf das Schablonenmonngramm, der Kopf und die Glorie
das Hubert-Monogramm, ebenso die vier letzten Rundbilder* während
die ersten drei die Schablonenreaktionen zeigen.
Was liegt hier vor? Zwei ursprünglich seifen schöne, eigenartig
komponierte Werke von Hubert van Epck, die in einen verwahrlosten
Zustand geraten sind und die ein minderwertiger
Künstler und nicht schlechter Techniker leider stellenweise gründlich
„restauriert" hat.
Ich besitze noch eine interessante Photographie mit drei
altvlämischen Bildern aus dem Johannesspitale in Brügge.
Das eine Bild ist französisch bezeichnet, als „Vision des
heiligen Johannes". Es rührt zweifellos^von Memling her; dessen
erstklassiges Monogramm findet sich bei keinem andern Vlamen.
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