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Iiiig: Eine «Gei*tererschematig*.
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sie erinnert an die oft aufgestellte Behauptung, die auch
Lienhard in seinem Roman „Oberlin* erwähnt, daß jeden
Ding der Sinnen weit in der astralen Welt sein „Doppel*
hab* Die Frau hat diese Lehre nicht gekannt und sifhat
aüch kein einziges Buch im Hause, in dem derartige Dinge
stehen. Sie erzählt ebenso einfach und nüchtern wie ergriffen
und beglückt, was »sie in wachem Zustand gesehen
Li gehört ha! Ob'wi* glauben können und wolfen, das
hängt von uns ab. Ich für meinen Teil stehe nicht an,
offen auszusprechen, daß ich, obwohl eine exakte und
zwingende Beweisführung unmöglich ist, überzeugt bin, daß
in vorliegendem Fall ehAoher (frad von Wahrscheinlichkeit
für das Vorliegen einer echten Geistererscheinung spricht
und daß diese Annahme jedenfalls weit geringere Ansprüche
an unsere Glaubensbereitschaft stellt, als jtde erkünstelte
Deutelei. — Wer nicht über genügende Erfahrung und hinreichende
Kenntnis der einschlägigen Literatur verfügt,
schüttelt über diese Schlußfolgerung natürlich den Kopf
und verweist auf den zum Teil ähnlichen Verlauf de*
Traums der Frau Seh. vom 9. November. Dieser Traum
kann aber meine Vermutung nicht beeinträchtigen, sondern
eher bestärken, da er ganzen Eindruck macht, als ob er
von der gleichen Ursache herrühre wie die Erscheinung
vom 11. Februar. Man hätte dann eben in dem Traum
den weniger deutlich gelungenen "Versuch des Verstorbenen
xii erblicken, sich seiner Frau bemerkbar zu machen. Wenn
die magische Einwirkung eines Sterbenden, wie ich in einer
anderen Abhandlung gezeigt habe (Psych. Stud. April-Maiheft
d.* j.) zu gleicher Zeit einem Wachenden und einem Schlafenden
bewußt werden kann, so muß das auch der Einwirkung
eines Verstorbenen möglich sein, wofern das Sterben
nicht überhaupt das Ende der Individualität, sondern nur
den Übergang in eine andere Daseinsform bedeutet. Wer
mit dem Einwand „Traum* argumentieren will, könnte mit
den gleichen Gründen auch die Geistererscheinungen der
Seherin von Prevorst und deren Gespräche mit den Geistern
als ,Träume eines hysterischen Frauenzimmers* abtun, weil
nur ganz selten auch andere Personen diese Geister gesehen
haben oder „gesehen haben wollen*. Aber es müssen dann
schon sehr merkwürdige Träume sein, bei denen „die Htuben-
tiir auf unerklärbarc Weise von selbst auf- und zugeht*
oder bei denen es „oft so sonderbar im Zimmer rauscht*
wie Theobald Kerner in seinem Buche „Das Kernerhaus
und seine Gäste* (I. Teil, Seite 99) als seine eigene Erfahrung
berichtet. Alle derartige Erscheinungen lassen sich
nicht einzeln für sich, sondern nur im Zusammenhang und
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