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282 Psychische Studien. XLVI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1919.)
in manchen Fällen und bis zu einem gewissen Grade: die
Brillengläser.
Es erübrigt nun zu untersuchen, wie sich die verschiedenen
Brillengläser hierzu verhalten, welchen Einfluß
sie auf die in der Form des Blickes zur Ausstrahlung gelangenden
Willenswellen gewinnen. Diese Frage bezieht
sich darauf, ob sie den Ausdruck des Blickes ändern,
ob die Wirkung der entgegengesetzten Willenswelle eine
Änderung erfährt.
Henry Edw. Jost sagt in seinem Werk: »Uber den
Erfolg* (Neue wohlfeile Ausgabe, Seite 78) — während er
über Physiognomisehes spricht — »Menschen mit ausdruckslosen
Augen oder mit Brillen sind im Vorteil, weil ihr
Blick dem anderen stets wenig oder nichts sagt,, also auch
nicht ihre Meinung über das Gesagte Brillen machen leicht
einen behaglichen Eindruck; namentlich auf der Bühne.*
Dieser Behauptung können wir uns anschließen, womit
auch die erste Frage als beantwortet erscheint.
Die Brille mystifiziert. Der Ausdruck entgegengesetzter
Willenswellen bekommt hinter einem coneaven Brillenglase
oft den Ausdruck einer gleichlaufenden oder inaktiven
Willenswelle. Der Ausdruck gleichlaufender oder inaktiver
Willenswellen gewinnt hinter convexen Brillengläsern
einen strengenf starren Ausdruck und erscheint daii als
eine entgegengesetzte Willensäußerung.
Leute ohne Fähigkeit, ihre Willenswellen zur entgegen-
gesetzten Aktivität f« bringen, verstecken sich oft V
bewußt hinter solchen, um einen strengen Ausdruck zu ge-
Winnen, um uns einen solchen vorzutäuschen; besonders
gelingt dies mit einem Einglas, wo die Asymmetrie der
Physiognomie zur Hilfe kommt.
Wir sagten bereits gelegentlich der Darstellung des
Vorganges, der beim Vortragen einer Bitte sich abspielt,
daß Brillengläser an und für sich teilweise ein Schutzschild
gegen andringende Willenswellen bilden. Die Beschaffenheit
des Glases aber scheint über das oben* bezüglich der
Mystifikation Gesagte hinaus keine ausschlaggebende Bedeutung
zu haben.
Musik und R h yt h m u s. So wie sich die Wellenbewegung
in der Äußerung aller Kräfte zeigt, so hat der
Rhythmus eine ebenso wichtige Rolle dabei.
• Die experimentelle Psychologie hat es festgestellt, daß
unsere Aufmerksamkeit und unser Bewußtsein für den
Rhythmus äußerst empfänglich ist, und daher kommt es,
daß unsere Willenswellen dieser so leicht unterliegen und
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