Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
46. Jahrgang.1919
Seite: 294
(PDF, 171 MB)
Bibliographische Information
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294 Psychische Studien. XLVi. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1919.)

gelten als rückständige Spießbürger, weil sie verantwortungsbewußt
darauf drängen, daß Deutschland durch Arbeit vor Hunger, Kälte
und fremder Knechtung bewahrt werde. „Wahnsinnige Forderungen
", „irrsinniges Gebaren" — so tönt es den erregten Msssen
warnend entgegen. Allein die Mahnung verhallt, Streik folgt auf
Streik, Putsch auf Putsch; die Produktion sinkt immer tiefer, und
ein erbarmungsloser Feind erntet den Vorteil unserer völligen Ohnmacht
. Ruhige Sachlichkeit des Denkens ist nicht mehr zu finden,
Gründe werden nicht mehr beachtet, Einwände nicht mehr angehört.
Ein wunderlich verzerrtes Rechtsgefühl empört sich gegen jede
noch so geringe Behinderung des eigenen ungezügelten Wollens,
hält sich aber für berechtigt, unter Ausntitzung des „Rechtes der
Revolution" dem Gegner jede Form von Gewalt anzutun. „Die
Guten müssen die Bösen zwingen", sagte einmal in Tübingen ein
naiver Politikus radikalster Färbung und war unablässig bemüht,
die sachlichen Darlegungen eines politischen Gegners in dessen
öffentlichem Vortrag durch unerwünschte Ausbrüche seines krankhaft
ungezügelten Temperamentes zu stören.

Wie ist das nur alles bei unserem einst so bedächtigen und
auch in politischen Dingen so gründlichen Volke so gekommen?
Die Antwort pflegt zu lauten: das ist das Ergebnis der 4 k schweren
Kriegsjahre. Wir wollen das zugeben, aber doch nicht vergessen,
daß diese Auslegung nur einen Teil der Erklärung zu geben vermag.
Zunächst einiges Tatsächliche.

Wer als Arzt und Psychologe unsere aus dem Felde in Urlaub
kommenden Soldaten und die Verwundeten mit aufmerksamem
Auge beobachtet hatte, dem konnte die allmähliche Wandlung ihres
ganzen Wesens im Laufe der Kriegsjahre nicht verborgen bleiben.
Es war weit weniger die — natürlich oft auch vorhandene —
körperliche Schwächung, als eine zunehmende Reizbarkeit, eine
oft verbitterte Grundstimmung, ein Überdruß am Morden und Zerstören
, eine wachsende Skepsis gegenüber der Möglichkeit eines
wirklich siegreichen Endes, eine zunehmende Unfähigkeit, mit den
überspannten Nerven sich auf Geistiges ruhig zu konzentrieren»
Bei erregbaren, von Haus nervösen Männern nähmen diese Folgen
der jahrelangen körperlichen und seelischen Strapazen nicht selten
den Charakter ausgesprochen krankhafter Zustände an, in denen
es auch nicht an sinnlosen Erregungen, leidenschaftlichen Gefühlsausbrüchen
und bedauerlichen Zornhandlungen fehlte. Der Schematismus
des veralteten Militärstrafgesetzbuches konnten diesen oft
recht komplizierten seelischen Anomalien nicht immer gerecht
werden und trug seinerseits zu einer Steigerung von Haß und
Unlust bei, obwohl die Kriegsgerichte nach meinen umfangreichen
Erfahrungen sich meist redlich bemühten, schädliche Strenge und
Schroffheit zu vermeiden.


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