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298 F^ychisciie Btudien. XL VI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1919)
Mitteln der alten Gewalten können wir auf die Dauer die verhetzten
und irregeleiteten Massen unseres Volkes nicht zu Ruhe, Vernunft
und Arbeit zurückführen. Haß zeugt immer nur Haß. Es bedarf
einer anderen Gesinnung. Nur wenn ruhige und starke
Nerven, ernste und verantwortungsvolle Männer und Frauen, in
denen sich tiefe Einsicht mit warmem Herzen verbindet, zu der
Riesenarbeit befähigen und begeistern, mit der ganzen Kraft tiefer
und selbstloser Liebe das Volk zur Arbeit und Pflicht, zur Güte
und wahren Brüderlichkeit zu bekehren, nur dann kann unser
deutsches Vaterland noch gerettet werden. Wir stehen am Abgrund
; wo sind die Führer, deren geistige und sittliche Größe
nach den Lehren des Nazareners unserem deutschen Volke in den
Stunden höchster Not die Rettung zu bringen vermag?
Instinkt und Hellsehen.
Von J)r. mtd. Rudolf Tischner, München.
In Arbeiten über den tierischen Instinkt begegnet ma*
mit einer gewissen Regelmäßigkeit der Wendung von dem
^hellseherischen* Wissen der Tiere. Aber es Meibt fast
immer bei dem Vergleich, der nicht mehr besagen will, als
wenn ein Arzt von der „zauberhaften" Wirkung eines
Mittel« spricht, womit er ja nicht sagen will, daß er wirklich
an Zlauber glaubt Tn beiden Fällen w*rd ein Vergleich
gebraucht, weil er etwas Kennzeichnendes enthält,
ohne daß man über die Wirklichkeit des zum Vergleich
herangezogenen damit etwas aussagen will, en genügt, daß
man auf die Weise verstanden wird.
Wenn m,an aber von der Wirklichkeit des Hellsehens
überzeugt ist dann erhebt sich die Frage, ob nicht tatsächlich
die beiden Erscheinungen doch etwas mehr mit einander
zu tun haben, als daß man das Eine benutzen kann,
um das Andere durch den Vergleich mit ihm zu beleuchten.
Es fragt sich also, ob beide nicht im Gründl irgendwie
verwandt sind.
Beim Hellsehen handelt es sich um Wahrnehmungen
und ein Wissen, das auf parasensorischem Wege d. h. mit
Umgehung der Sinnesorgane erlangt worden ist.
Den Instinkt hat man sehr verschieden definiert und
es ist noch keine Einigkeit darüber erzielt worden. Wir
wollen hier eine Instinkthamdlung als eine Handlung von
unbewußter Zweckmäßigkeit bezeichnen. Man hat sich aller
dings bemüht, bei der Betrachtung der Instinkte und überhaupt
der Handlungen der Tiere vom Psychischen ganz
abzusehen und also Begriffe wie „bewußt* nnd „unbewußt*
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