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300 Fsychische Studien. XLVI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1919.)
und knetet diesen klebrigen Stoff zu einem Knäuelchen zusammen
, das sie mit ihren stark vergrößerten borstigen
Tastern unter ihrem Kopfe festhält. So beladen fliegt sie
weg und sucht eine zweite Blume. Sobald sie eine solche
gefunden, ritzt sie mit den scharfen Schneiden ihrer Legeröhre
das Gewebe vom Pistill der Blume und legt ihre
eigenen Eier zwischen die Eizellen der Pflanze, worauf sie
schnell zur Narbe des Griffels hinaufeilt und das befruchtend
** Pollen-Knäuelchen in deren trichterförmige Öffnung
hineinstopft. Nun sind aber diese Besuche der Motte für
die Pflanze unerläßlich. Man hat durch Versuche nachgewiesen
, daß ohne Vermittlung der Insekten kein Pollen
die Narbe erreicht und somit die Eizellen unbefruchtet
bleiben. Und die Befruchtung dieser Eizellen ist wiederum
unentbehrlich für die Larven, welche in vier oder fünf
Tagen aus den Eiern des Insekts auskriechen. Man hat
festgestellt, daß die Larven sich ausschließlich von den in
Entwicklung begriffenen Eizellen nähren und daher, wenn
die Befruchtung der letzteren unterbliebe, verkümmern
würden. Jede einzelne Larve nun verbraucht etwa zwanzig
Eier, und drei oder vier Larven pflegen auf eine Blume zu
kommen, die Samenanlage der Pflanze aber enthält ungefähr
zweihundert Eizellen. Nehmen wir also an, daß, rundgerechnet
, hundert Eizellen den Mottenlarven geopfert werden,
so bleiben doch noch hundert übrig, die allein durch Mitarbeit
der Motte zur Befruchtung und Eeife gelangen.
Diefee wundervoll angepaßte Instinkttätigkeit der Yueea-
motte wird nur einmal in ihrem ganzen Leben ausgeführt
und dies ohne irgendwelchen Unterricht, ohne Gelegenheit,
sie bei andern zu sehen oder nachzuahmen, ja soviel wir
sehen können, ohne daß das Insekt eine Ahnung von der
Tragweite seiner Handlungen hätte. Denn die weiteren
Schicksale der Eier, weiche die Motte Jegt, bleiben ihr
ebensogut, verborgen, wie der befruchtende Einfluß des von
ihr vermittelten Blütenstaubs auf die Eizellen" (nach Morgan;
, Instinkt und Gewohnheit*).
Einige einfache Instinkthandlungen mögen noch zur
Vervollständigung der Unterlagen für unsere Überlegungen
gegeben werden. Die Raupe des Kaehtpfauenauges fertigt
Ich zur Verpuppung ein Gespinst; daFSie bei der Ver-
Wandlung in den Schmetterling weder stark genug warf,
das Gespinst *u sprengen, noÄ auch w,V amfere Lupe«
ohemische Mittel hat, um es zu öffnen, so muß die Eaup^
eine Öffnung lassen, die aber wiederum keinen Eintritt in
das Innere gestatten darf, sie macht also eine ventilartige
Öffnung, die leicht von innen durchgängig ist, jedoch nicht
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