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Kaindl: Eine Maierialisationstbeorie. Hfl
körperlichen Wirksamkeit individueller Kräfte und einer
hierdurch bedingten lokalen (örtlichen) Veräußerlichung
imd Versinnlichung subjektiver Vorgänge aber beruhen
alle unter dem Namen Spuk bekannten Erscheinungen,
Hätte die Freundin der Frau v. T. anstatt von einem
verlorenen Buche von himmlischer Musik oder von paradiesischen
WohlgerücheA geträumt, so würden sich diese
Traumvorstell ungeu vermöge der außerkörperliehen Wirksamkeit
schöpferischer individueller Kräfte ebenfalls ver-
sinnlicht haben, wenn auch in anderer Weise. Der Geist
als das bewegende Prinzip beherrscht sowohl die ponder-
ablen wie die imponderablen Substanzen, und es ist daher
anzunehmen, daß, wenn er seine körperliche Wirkungssphäre
überschreitet, es für ihn möglich sein muß, in einem materiellen
oder ätherischen Medium alle jene Bewegungsformen
zu erzeugen, welche in uns die mannigfaltigen spezifischen
Sinnesempfindungen des Gesichts, Gehörs, Geruchs, Gefühls
nnd Geschmackes auslösen. Die durch den Traum eines
Ek^tatikers verursachten Spukerscheinungen offenbaren sich
zumeist dem Gehörssinn, minder häufig dem Gesichts- und
Gefühlssinn, seltener dem Geruchssinn und am seltensten
dem Geschmackssinn; bisweilen wenden sie sich an mehrere
Sinne zugleich. Dies gilt nicht ttur für jene Fälle von Spuk,
welche wir auf das außerkörperliche Wirken Lebender,
sondern auch für jene, welche wir auf das Verstorbener
zurückführen.
Zum Schlüsse seien noch zwei Fälle von spontaner
Materialisation hier angeführt. Fälle, wie die folgenden,
erheben es über allen Zweifel, daß der sogenannte Gespensterspuk
durch Träume derselben Art verursacht wird,
wie die Schlaftätigkeit des Nachtwandlers. Ist, wie du Prel
cagt, die Tätigkeit des Nachtwandlers nichts anderes als
ein in Handlungen übersetzter Traum, so kann man füglich
behaupten, daß der sogenannte Gespensterspuk ein örtlich
veräußerliehter und versinnüchter Traum ist.
Im Nachtwandeln tritt der Schlafende selbst körperlich
als Tranmhandelnder auf; im „Gespensterspuk* hingegen da^
Traumbild seiner eignen Person oder andre Traumgestalten,
Erscheint, wie im vorerwähnten Fall und in den folgenden
Fällen, die Traumgestalt (das Phantom) des träumenden
Ekstatikers selbst und allein, so spricht man folgewidriger-
(inkonsequenter-) und irreftihrenderweise, anstatt von Gespensterspuk
, von Doppelgängerei.
Da Träume im Unterbewußtsein ihren Ursprung haben,
so können sie nicht nur im Schlafe, sondern auch im Wachen
auftreten. Solche Einbrüche des Traumlebens in das he-
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