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324 Psychische Studien. XLVI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1919.)
Dieser Identitätsbeweis ist bisher in wissenschaftlicher
Schärfe nicht gelungen und er wird aller Wahrscheinlichkeit
naeh auch in Zukunft in einer die Wissenschaft zufriedenstellenden
Form nicht gelingen. Der Grund liegt in dem
Umstand, daß Erklärungshypothesen für die Erscheinung
vorhanden sind, welche zu gewichtig sind, um unbeachtet
an ihnen vorüberzugehen und die spiritistischen Theorien
als die einzig richtige Erklärung für das Phantom oder die
Materialisation zu bezeichnen.
Um zu letzterem Schritt vollberechtigt zu sein, müßten
in dem gegebenen Falle die Hypothesen der animistischen
Erklärung als nicht zutreffend erfunden worden sein. Dies
ist aber, wie wir sehen werden, fast ein Ding der Unmöglichkeit
.
Sehen wir von den Halluzinationen ab, so tritt uns in
erster Linie die gewichtige Hypothese der Ideoplastik
entgegen, d. h. jener Kraft des menschlichen Geistes, vermöge
welcher da3 Medium imstande ist, entweder seinen
Doppelgänger (den sog. Astralkörper) sichtbar zu bilden
oder irgend eine sichtbare Gestalt zu schaffen, welche die
Phantasie des Mediums aus dem Inhalt seiner Erinnerungen
oder seiner Vorstellungen, ja selbst aus den Vorstellungen
der Anwesenden genommen hat. Die Möglichkeit des Vorganges
ist nach den genannten Richtungen hin auf Grund
einer reichen Erfahrung und einer Eeihe von einwandfrei
festgestellten Tatsachen heute nicht mehr zu bestreiten,
wenn wir auch in absoluter Unkenntnis über den Vorgang
sind.
Was das Phänomen des Doppelgängers betrifft,
so mag hier lediglich auf die erschöpfenden Ausführungen
unsers Meisters C. du Prel hingewiesen werden.*) Wenn
auch die moderne Naturwissenschaft den Astralleib heute
noch leugnet, so spricht doch eine so große Menge von
Tatsachen für die Existenz desselben, daß es dem vorurteilsfreien
Forscher nicht möglich ist, der Schulweisheit sich
bedingungslos zu ergeben.
Ebenso verhält es sich mit den Erscheinungen der
sog. materiellen Ideoplastik. Diesbezüglich verweise
ich auf die berühmte Sammlung „Phantasms of the Living"
und auf die durchaus wissenschaftlichen Untersuchungen
der englischen Gesellschaft für psychische Forschung, sowie
auf Dt: v. Schrenok's ausgezeichnetes Werk: „Materialisations-
Phänomene". Hiernach sprechen schwerwiegende Gründe
dafür, anzunehmen, daß es den physischen und psychischen
Kräften des Menschen möglich ist, Phantome, welche den
darzustellenden Persönlichkeiten ähnlich aind, zu erzeugen.
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