http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1919/0337
Rechenberg: Der Identitätsbeweis im Spiritismus
fahrung nachweisen läßt, halten wir dieses Gesetz mit Recht für
eine der sichersten Tatsachen.
Nun müssen wir uns weiter vergegenwärtigen, wie eine äußere
Wahrnehmung zustande kommt. Vermittelst unserer Sinnesorgane
nehmen wir die verschiedensten Eindrücke in uns auf und verarbeiten
sie dann entsprechend den in uns vorhandenen Denkgesetzen
zu dem äußeren Weltbilde. Da aber unsere Sinnesorgane
nur bis zu einem gewissen Grade genau die Erscheinungen der
Außenwelt auffassen und in das innere Wesen dieser Erscheinungen
überhaupt nicht eindringen können, so bleiben diese Wahrnehmungen
immer mehr oder weniger unvollkommen. Das Auge nimmt wohl
die bekannten Farben des Spektrums wahr, was aber diesseits des
rot und jenseits des violett liegt, fällt nicht mehr in seine Reizempfänglichkeit
. Das Ohr nimmt nur Töne innerhalb einer bestimmten
Schwingungszahl wahr. Der Tastsinn empfindet Reize nicht
mehr, die unter der sogenannten Reizschwelle liegen. Der Geschmacks
- und Geruchssinn vermittelt uns nur ganz grobe Empfindungen
, während von vorneherein anzunehmen ist, daß es noch
eine unendliche Anzahl von feineren Stoffverteilungen im flüssigen
und gasförmigen Zustande giebt. Für die elektrischen und magnetischen
Vorgänge fehlt uns jeder Sinn. Um diesem Mangel der
Sinneswahrnehmungen abzuhelfen, bedient sich nun die wissenschaftliche
Forschung der verschiedensten Hilfsmittel. Was uns
unsere Sinne nicht mehr offenbaren können, sucht sie vermittelst
chemischer Reaktionen, feinster Wägapparate, Mikroskope und
Teleskope zu ergründen. Mit Hilfe dieser Instrumente gelangen
wir dann in der Tat zu einer viel umfangreicheren Kenntnis der
Außenwelts-Verhältnisse und -Beziehungen, als sie uns unsere ein.
fachen Sinne ermöglichen. Aber auch die Feinheit der Instrumente
hat ihre Grenzen. Die chemischen Reaktionen antworten uns nur
soweit, als wieder unsere Sinne ausreichen, sie wahrzunehmen;
ebenso wie auch die Feststellung der durch Instrumente gelieferten
Resultate doch nur wieder durch unsere Sinnesorgane geschehen
kann. Also auch bei der weitgehendsten Anwendung dieser chemischen
und technischen Hilfsmittel gibt es eine rem physiologischmechanische
Grenze, über die wir nicht hinaus können. Schließlich
müssen wir immer noch folgendes im Auge behalten: Wir nehmen
von den Dingen der Außenwelt nur ihre äußerliche, uns durch die
Brille unserer Sinne zugängliche Seite wahr, nicht die Dinge, wie
sie in Wirklichkeit beschaffen sinö. Und ferner: da unsere Beobachtungen
nur bis zu einem gewissen Grade genau sein können,
so handelt es sich im letzten Grunde doch nur um Wahrnehmung
und Feststellung von Verhältnissen unbekannter Dinge zueinander, die
wir, um System in dies alles zu bringen und verständlich miteinander
darüber reden zu können, mit verschiedenen Namen versehen
.
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