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842 Psychische Studien XLVI. Jahrg. 7. Hett (Juli 1919)
treffen zweier gleichstark .gestimmter Willens wellen von
Mann und Weib 18).
Innerhalb der Grenzen, die gezogen sind, in der Richtung
des Gleiehgefühls durch die vollkommene Gleich-
stimmigkeit bei ungleich starker Kraft der Willen^wellen-
Außerung und in der Richtung des Gegeragefühls durch
die krasse Unstimmigkeit bei gleicher Kraft der Willenswellenäußerung
— gibt es selbstredend mancherlei Abstufungen
; je nach dem Verhältnisse der mitwirkenden
Faktoren zu einander. Diese selbst hängen nun qualitativ
und quantitativ von Geschlecht, Alter und Rasse der
Beteiligten ab. Verschiebungen innerhalb der Grenzen und
damit eine Änderung der Gefühle des Einzelindividuums
nach einer oder der anderen Richtung, selbst bis zu einer
oder der anderen Grenze, sind möglich und kommen hierbei
blos die einer Änderung unterworfenen Faktoren in Betracht,
wie die Kraft der Willenswellen und das Alter. („Von
Haß zur Liebe, von Liebe zu Haß*)*
Leute, die zerfahren sind, können selbst bei einer
sonstigen Gleichstimmigkeit. welche das Gleichgefühi be-
deutet, dieses nicht erwecken, sobald ihre Willens wellen
sich ungleich, sprunghaft, äußern; sie verursachen bei sensitiven
Naturen ein Gefühl des Unbehagens, eine A.rt A.uf—
regung, eine Anspannung der Willenswellen, welche oft die
Grenze des Gegengefühls erreichen.
Als oberste Grenze des Gebietes des Gleich- und
Gegengefühls wurde die vollkommene Gleichstimmigkeit bei
ungleicher Kraft der Willenswellen darum angenommen,
weil eine gleiche Kraft keine ständige Harmonie bedeuten
würde. Die größere Kraft muß die schwächere, wenn auch
gleichgestimmte, in sich aufnehmen, sie müssen verschmelzen.
Gleichkräftige, wenn auch gleichstimmige Willens wellen,
würden blos nebeneinander klingen, eine würde die andere
in Schwingungen versetzen, ohne jedoch die von der Harmonie
(«= vollkommenes Gleichgefühl) bedingte Verschmelzung
der Gefühle herbeizuführen.
Als unterste Grenze wurde die vollständige Unstimmigkeit
jedoch bei gleicher Kraft der Willenswellen
bezeichnet. Das ist hellste Disharmonie: ein Aufeinanderprallen
der ungleich vibrierenden WiJlenswellen in gleichem
Kraftausmaße
In Gefühlen ausgedrückt bedeutet die oberste G renze
etwa das Mitleid für Kranke, schwache Personen des
lN) Gerade diese Fälle beweisen, wie Gleichgefühl und Gegengefühl
etwas anderes sind, als die verschiedenen Triebe, die sich beim Tier und
anormalen M^ns^hen zeigen.
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