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378 Psychische Studien XL VI. Jahig. 7. Heft. (Juli 1919.)
Meyerbeer in Violett, Mn&scuet in Gelb, Lecocq in Scharlach-
rot komponiert habe.
b) Wer ist der Rohere ? Unter dieser Überschrift bringt
die Tagespresse von Mitte Juni nachfolgende für das
zarte Seelenleben der Tiere zeugende Notiz, die ganz an
die verzweifelte Stimmung einer liebenden Gattin erinnert,
die im Schmerz um den gemordeten Mann zum Kinder-
mord kommt. In Ehrenstetten, bad. Amts Staufen,
hatten Ausflügler einen Storch abgeschossen. Als die
Störchin den Verlust gewahrte, warf sie ihre drei Jungen aus
dem Nest auf dem Kirchturm herunter und verließ den Ort.
e) Die Hundetreue einer Dohle« Eine hübsche Beobachtung
zur Tierseelenkunde teilt Dr. L. Reiche in der „Naturwissenschaftlichen
Wochenschrift" mit. Er hielt sich eine halbzahme
Dohle in einem Holzkäfig auf dem Hofe. Eines Tages wurde die
Dohle, die bei Tage frei umhergehen konnte, von einer Katze
überfallen und ihr Besitzer kam gerade noch zur rechten Zeit, um
sie zu retten. Sie hatte nur einige Büschel Federn verloren, hatte
sich aber so erschrocken, daß sie den ganzen Tag über nicht aus
dem Käfig herauskam. Von dieser Zeit an war das Verhalten des
Tieres gegen seinen Besitzer auffallend verändert: als es am
nächsten Morgen auf die Sitzstange herausgehüpft war, nahm es
für einige Minuten die Stellung eben erst flügge gewordener Brut
an, die auf den Zweigen der Bäume mit etwas hängenden Flügeln,
Körperbchütteln und Pieptönen auf die von den Alten dargebotene
Nahrung wartet. Reiche dachte zuerst an eine schlimme Nachwirkung
des Schrecks, doch war seine Befürchtung nicht begründet.
Nachdem er der Dohle das Gefieder von Kopf und Hals über den
Rücken gestrichen hatte — früher hatte er das auch getan, mußte
jedoch dazu den Vogel erst greifen, — nahm sie wieder ihre
normale Haltung an und hüpfte vergnügt davon. So benahm sich
das Tier des Morgens regelmäßig, auch manchmal während des
Tages, wenn sein Herr sich ihm näherte: jede Scheu vor ihrem
Besitzer hatte die Dohle abgelegt. Gegenüber Fremden aber behielt
öie ihre früheren Gewohnheiten unverändert bei. Um nun
die Echtheit ihres Empfindens auf die Probe „zu stellen, schlug
Reiche die Dohle bisweilen mit einer dünnen Gerte, bis sie schrie
und in den Käfig flüchtete. Auffällig war dabei, daß sie leichte
Schläge über sich ergehen ließ, ohne sich vom Fleck zu rühren;
bei stärkeren flüchtete sie zwar, machte aber nie einen Versuch
der Gegenwehr, indem sie etwa die Gerte mit dem Schnabel zu
ergreifen oder sich durch Schnabelhiebe zu verteidigen suchte,
wie sie anderen gegenüber regelmäßig und mit unverkennbarer
Heftigkeit tat. Hielt Reiche dem Vogel einen Stock hin, so hüpfte
er darauf, ließ sich umhertragen, machte alle, selbst schwierige
und unbequeme Bewegungen mit rührender Unverdrossenheit mit,
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