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3*4 P*\ einsehe Studien. XL VI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1919.)
betttiebers, geb. 12. X. 1818, dem vor *0 Jahren als „Retter der
Mütter* auf der Elisabeth-rromenade in Wien ein prachtvolles
Denkmal errichtet wurde, während ihn die Verfolgungen der Uni-
versitätsprofe^soren, die ncine Entdeckung mißachteten, weil er statt
der technischen Ausdrücke „antiser^tisch" und „Infektion" die von
ihm in der Geburtsklinik des städtischen Krankenhauses herausgefundene
Unreinlichkeit gut deutsch als „Schmutz, Dreck* bezeichnete
, vor47 Jahren in den Irrsinn trieben, und Max von Petten-
kof er, als Bauernbub zu Lichtenheim bei Neuburg a. D. 3. XII. 1818
gebf der Begründer der wissenschaftlichen Hygiene, der sich nach
vielen bitteren Lebenserfahrungen am 10. Febr. HK)1 als Universitätsprofessor
zu München in einem Anfall von {Schwermut das Leben
nahm. Besonders wertvoll ist aber ebendort ein Beitrag von Prof.
E. Herff in Köln über die „Mathematik in der Arbeit der Honigbiene
", der zeigt, wie diese mit höchst künstlerischem Instinkt begabten
Insekten im tinbewußten Ausbau ihrer, allen Anforderungen
der höheren Mathematik bzw. der Geometrie entsprechenden Zellen,
eine immanente, die ganze Natur beherrschende, von höchster Intelligenz
zeugende Schöpferkraft klar beweisen. Dr. —r.
Briefkasten«
Herrn Dr. med. K. in L Wir empfehlen Ihnen in erster Linie
das philosophisch tiefgründige Buch unseres neugewonnenen Mitarbeiters
Dr med. Gg. Lomer (prakt. Arzt in Hannover, Sallstr. 88):
MDer Traumspiegel* (München bei Michael Müller), das demnächst
eine Fortsetzung erhalten soll. Daß der Glaube an Wahr- bezw.
Warnungsträume tief im Glauben alier Völker und aller Zeiten,
vor allem in der Seele des deutschen Volkes wurzelt, zeigt ja schon
der herrliche Anfang des Nibelungenlieds, wo das sinnende Haupt
der züchtig erblühenden Königstochter Kriemhild ahnungsvolle
Träume umschweben: einen Falken zeigt ihr ein Tjaumgesicht, den
sie als ihren Schützling manchen Tag pflegt — da stürzen sich zwei
Adler herab und erdrücken mit ih?en grimmen Fängen das zarte
Tier vor ihren Augen, was der jäh Erwachenden die besorgte Mutter
auf einen künftigen edlen Mann deutet. Und als später die treue
Gattin ihren Sigfrid vor dessen Ermordung durch den schlimmen
Hagen zum letztenmal sieht, ist ihre von bangen Ahnungen erfüllte
Seele wieder dur< h einen schweren i räum beängstigt: sie hat zwei
Berge auf ihren schmucken elden fallen und ihn unter den stürzenden
Trümmern versehe mden sehen. f 6 Jahre später, nachdem die holde
Kriemhild zur Rachefurie an König Etzels ! of geworden, regt sich
noch einmal die dunkle Ahnung der entsetzlichen, nahe bevorstehenden
Zukunft in der Seele der altersgrauen Mutter Ute in
Worms: ihr träumt, als eben zut Abreise der Von Etzel eingeladenen
Mannen gerüstet wird, alles Gevögel im Lande liege tot auf Feld
und Heide! Ein so tief in der Volksseele, bezw. in der Nationalpoesie
verankerter Glaube muß doch wohl auf der Ahnung wirklicher
Tatsachen beruhen und kann nicht mit der materialistischen Zufalls-
deutung als Ammenmärchen abgetan werden. — Beiläufig: wenn
unser Mitarbeiter A. Kniepf und andere Forscher die Dramen Shakespeares
* jetzt dem englischen Staatsmann und Philosophen Bacon zuschreiben
zu müssen glauben, so erinnern wir daran, dsß schon im
Altertum die Lust«j>iele des gefangenen Sklaven Terenz für dessen
Gönner Scipio Afrikanus, den Zerstörer Karthagos in Anspruch
genommen wurden. Also: nihil novi sub sole!
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