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' Kaindl: Was ist Suggestion? 391
die Wirkung in allen Fällen trotzdem eine gleichartige,
nämlich die magische ist, so muß ihr dieselbe Ursache m
Grande liegen, und iet diese in nichts anderem zu suchen,
als in dem exoneuralen Zustand des Nervenäthers und in der
exoneuralen Funktion der ihm innewohnenden Nervenkraft.
Die Ätzte des Mittelalters unterschieden zwischen Phantasie
und Imagination als zweierlei geistigen Vermögen
und' betrachteten die letztere als eine Itraft, welche nicht
nur den Organismus beherrscht, sondern auch nach außen
wirken kann; meines Erachtens handelt.es sich aber hier
um eine und dieselbe Geisteskraft, die sich, wie alle individuellen
Kräfte, im esoneuralen Zustand des Nervenäthers
nur anders äußert als im exoneuralen.
Derselbe Unterschied, wie zwischen Phantasie und
Imagination, besteht nun auch zwischen der gewöhnliehen
Insinuation (Einflüsterung) oder Willensbeeinflussung und
der Suggestion. Das wesentliche unterscheidende Merkmal
rKriterium) zwischen beiden besteht darin, daß die erstere
auf normalem Wege, d. i. durch Vermittlung des Sinnenapparates
, erfolgt, letztere hingegen auf anormalem Wege, -
d. i. mit Umgehung desselben durch die ihn belebende
Essenz selbst. Die letztere Art geistiger Beeinflussung nennt
man im Gegensatz zur ersteren, durch die Sinne vermittelten,
die magische. „
Was die sogenannte Wachsuggestion anbetrifft, so »
ist qs vorerst eine Frage, ob sie diesen Namen mit Recht
führt und ob nicht das, was man für Wachsein hält, in
Wirklichkeit nicht doch eine Umflorung des Bewußtseins
ist, die sich einer objektiven Beobachtung entzieht, übrigens
ist derBew*ißtseinszustand dabei nicht das Ausschlaggebende,
sondern der exoneurale Zustand des Nervenäthers; außerdem
ist noch nicht festgestellt, inwieweit der Austritt des Nerven-
äthers aus den Nerven den Bewußtseinszustand alteriert
oder die Klarheit des Bewußtseins beeinträchtigt. Jedenfalls
läßt sich voraussetzen, daß mit dem Austritt des Nerven-
äthers, er mag noch so geringfügig sein, auch eine — wenn
vielleicht auch nur subjektiv konstatierbare — Veränderung
im Bewußtseinszustande vor sich geht. Im übrigen mag
es «sehr davon abhängen, in welchem System und in welchen
Partien desselben mn solcher Austritt stattfindet.
Eine auf subjektive Beobachtung sich gründende Schil-
derung des Bewußtseinszustandes während bei ersten Be-
fegnungen mit Fremden zuweilen spontan sich einstellender
risionen verdanken wir Heinrich Zschokke, der sie
in seiner »Selbstschau* *) mit folgenden Worten gibt:
*) „Eine SclbsUckau" (Autobiographie) ron Heinrich Zschokke, Aaiau 1849.
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