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478 Psychische Studien. XLVL Jahrg. 9. Heft. (Septembei 1919.)
Wenn Boehiu schreibt, daß „jeder gut beobachtende
und vorurteilsfrei urteilende Forscher* wisse, daß physische
Zustände der Atmosphäre auf das Auftreten der psychischen
Phänomene Einfluß haben, so wissen das nicht nur die eben
erwähnten Forscher, sondern sogar mir ist das nicht ganz
unbekannt! Auch die Wirkungen des Magneten zu bestreiten
, habe ich gar keinen prinzipiellen Grund, wenn mir
auch anderseits die zitierten Experimente methodisch nicht
ganz durchsichtig und einwandfrei vorkommen.
Das alles bestreite ich gar nicht, dagegen kann also
ßoehm auch nicht seine Polemik richten, ich wende mich
nur gegen die Neigung Physisches und Psychisches ohne
zwingende Gründe zusammenzumengen und aus Vergleichen
und Ann!ogien, die manchmal nützlieh sein mögen, reale
Beziehungen zu machen. - Die alten Aegypter meinten,
daß ebenso wie der Skarabäus seine auf Mist bestehende
Brutpille vor sieh herrollt, so ein göttlicher Mistkäfer die
Sonne am Himmelsgewölbe vor sich her rolle. Wer will nun
den Aegyptena beweisen, daß da kein unsichtbarer Skarabäus
die Sonne schiebt? Solche Behauptungen sind leicht
aufgestellt und schwer widerlegt, am besten stelit man sie
also nicht, ohne zwingenden Grund auf. An diesen Skarabäus
erinnern mich immer die voreiligen Analogien der
Okkultisten, ohne daß der etwas unappetitliche Vergleich
außerdem irgendwelche realen Beziehungen behaupten will,
es soll nur ein Vergleich sein, dessen „tertiura eompara-
tionis * nicht in der Brutpille, sondern in der voreiligen
Analogie liegt.
Da Boehm sich mit meinen „dialektischen* Ueber-
legungen garnicht sachlich auseinander setzt und er ihnen
anscheinend gar keinen Wert beimißt, so mögen einige
Vergleiche die Sache zu klären versuchen.
Was würde man zu einem Schriftsteller sagen, der das
Wort, daß jemand sein seelisches Gleichgewicht verloren
hat, nicht als Vergleich nimmt, sondern als Tatsache, und
der weiter darüber spekuliert, wie etwa bei den verschiedenen
Temperamenten das seelische Gleichgewicht beschaffen sei;
beim Phlegmatiker bestehe stabiles Gleichgewicht, d, h. es
liege der Schwerpunkt der Seele unterhalb des Unter-
stützungspunktes, beim Choleriker dagegen sei das Gleichgewicht
labil usw. Und was würde man sagen, wenn jemand
Worte wie goldner, eiserner, quecksilbriger, öliger, schleimiger
usw. Charakter, Worte, die man ja alle zur Kenn*
Zeichnung der seelischen Beschaffenheit gebraucht, für mehr
als Vergleiche nähme. Es läge ja dann ganz nahe, weiter
darüber zu spintisieren, welche Eigenschaften einem solchen
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