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Planck: Elisabeth d'Espdrance als Medium
kennen gelernt haben, die für mich — im Zusammenhang
mit den Berichten — ebenho viele Beweiskraft besitzen,
wie die Berichte der Angenzeugen selbst! Diese Wunde?
sind gar nicht umzustoßen. Die Wunder der Evangelien
scheinen viel weniger sicher bezeugt! Ich muß diese alle
mehr oder weniger offen lassen. Jesus, der Wundertäter,
war ein Mann von überragender Macht und Stärke der
Persönlichkeit — und desgleichen war vielleicht nicht wieder
auf der Welt: wie dieser hohe und edle, reine Geist! War
diesem Licht wiiklieh kein Schatten beigemischt? Die
Charakt2rkiitik sollte das nachzuweisen vermögen; aber
doch kommen mir immer wieder Höldeilins liebenswürdige,
feine Verse in den Sinn:
•
„Ach! sie wissen es nicht, wie der Hohe wandelt im Volke,
Und vergessen ist fast, was der Lebendige war.
Wenige kennen ihn doch, und oft erscheinet erheiternd
Mitten in stürmischer Zeit ihnen das himmlische Bild.
Aliversöhnend und still mit den armen Sterblichen ging er,
Dieser einzige Mann, göttlich im Geiste dahin."
Daß ein solcher Mann schließlich in eine Art religiöser
Selbstüberhebung (Kiankheit) gelangen und
sich für Gottes Sohn halten konnte, erscheint mir als selbstverständlich
. Ob er es nictffc war, darüber weiß ich nichts.
Wie man ernsthaft die historische Existenz dieses Mannes
in Zweifel ziehen und leugnen konnte, wie es geschah, ist
mir gänzlich unbegreiflich! Aber begreifen und erklären
kann ich diesen Mann unmöglich, wenn ich auch verstehen
kann, daß er sich vielleicht in besonderer Weise mit dem
Vater" eins fühlte; und wenn ich persönlich auch das
Vaterunser als die höchste Geistes- und Gemütsleistung,
wenn dieser seltsame Ausdruck erlaubt ist, aller Zeiten
betrachten muß, so kann ich doch nicht in dogmatischengem
Sinne an die Gottessohnschaft dieses Mannes,
dessen Spuren wir alle folgen sollten, glauben!
Selbst Goethe, Shakespeare, Homer und andere geistig Großmächtige
verschwinden für mich hinter seiner Größe: und
als Einzigstes und Erhabenstes, was sich diesem Manne
vielleicht vergleichen konnte, bleibt für meine persönliche
Empfindungsweise: Schiller — auf dem Totenbett{
Mächtiger mochte Goethe sein in gewissen Worten de»
„Faust% in welchem er auch seine Erklärung des
Schicksals des sanften, edlen Sittenlehrers der Menschheit
gegeben hat:
„Die ihr volles Herz nicht wahrten,
Hat man von je gekreuzigt und verbrannt".
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