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Kurze Notizen.
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deckt er alles in die Breit' und Höhe' — nein, er hängt
wie eine graue wollige ßeisedecke, weich, flockig, getupft
vor>m Fenster. Jetzt kommt rechts das Rheintal. Gewöhn-
heit führt den Blick ins Weite; da taucht wie aus entschwundener
Vergangenheit eine Figur aus dem Nebel:
Die Germania auf dem] Niederwald. Es ist schwerlich bekannt
geworden, daßj im dritten Kriegsjahr, im Sommer
1916 der Blitz in ihr gezücktes Schwert schlug, den Reichsadler
sprengte und sein Postament ins Rutschen brachte
Auch der sogenannte ,Engel des Krieges' wurde beschädigt.
Der Vorfall wurde damals in der ganzen Gegend als ein
verhängnisvolles Omen betrachtet, jedoch nach Möglichkeit
geheim gehalten, der Schaden eiligst ausgebessert.
Die Franzosen, die heute in Scharen Tag für Tag das Nationaldenkmal
besuchen, schauen mit eifrigem Interesse nach
den Spuren jener allegorischen Himmelsdemonstration, deren
Vorhandensein wir vielleicht sogar die Erhaltung jenes
Wahrzeichens heute zu danken haben. Denn hüben in Bingen
wurde das weit harmlosere, neu errichtete Denkmal des
hessischen Großherzogs Ludwig IV. viel weniger glimpflich
behandelt. Bald nach der Besetzung wurde das Monument
per Lastauto vom Sockel gezogen, wobei der Großherzog
den Kopf verlor. Auf Befehl des französischen Kommandanten
in Bingen wurde das Denkmal wieder aufgestellt,
und der Kopf von Schlossermeister Fitt neu befestigt. Zehn
Wochen später kamen belgische Soldaten auf einer Vergnügungsfahrt
den Rhein herauf, gingen in Bingen an Land,
stürzten den alten toten Großherzog zum zweiten Mal und
schleiften ihn mit unendlicher Mühe in den Rhein, wo er
jetzt noch liegt. Hierauf setzten sie ihre Vergnügungsfahrt*
weiter fort. Bei den Bingern hat gerade dieses Denkmal,
das seine Errichtung der Titelsehnsucht eines Kommerzien-
rataspiranten verdankte, nie Beachtung oder Liebe gefunden
und sein Verschwinden kein Bedauern erregt. Sie stehen
den Begebenheiten der Gegenwart ruhig und gelassen gegenüber
."
e) Was der „Schäfer Thomas" schon wußte. Daß
die vielverlästerte Volksmedizin bereits Heilmittel und Heilmethoden
kannte, die die moderne Wissenschaft erst wieder
entdeckt hat, darauf weist Hof rat Dr. Ising in „Natur und
Kunst* hin. Der „Schäfer Thomas", dieser Typ des alten
Bauernarztes, war schon hinter so manche Geheimnisse der
Natur gekommen, die der leidenden Menschheit zum Segen
gereichten. So kannte die alte Volksmedizin vortreffliche
Abführmittel, die sehr einfach waren, z. B. Seesand oder
Leinsamen, und doch vorzüglich wirkten. Die Bauern in
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