http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1919/0599
Kniepf: Joh. Keplers lebendiges Weltsystem u. sein Okkultismus. $95
Sterndeuter und Mystiker am Ausgang des Mittelalters. Bekannt
ist Keplers Lehre von der Harmonie der kreidenden Planeten und
seine musikalische Fixierung- Diese Augabe bietet für den Laien
die einzige Gelegenheit, sich über die Harmonie der Sphären ans
den Worten des Entdeckers selbst zu unterrichten.
Herr Otto Bryk in Wien hat sich seiner ungemein
mühevollen Aufgabe mit großem Verständnis auch für die
metaphysisch poetischen Beweggründe Keplerscher Geistesart
unterzogen. Das Werk bringt teilweise Auszüge aus
den Schriften:
Eine Einleitung mit Biographie. Seite I—XLIX
Harmonices mundi, Linz 1619, p. 1—130.
De Admirabili proportione orbium coelestium (SehSpf-
ungsgeheimnisse in Weltentiefen), zweite verbesserte
Auflage von 1616, p. 131—185.
Astronomia Nova, 1609, p. 190 bis Ende.
Obgleich als Volksausgabe bezeichnet, ist es doch nur
für einen Kreis bestimmt, der imstande ist, den von hohem
philosophischen Enthusiasmus getragenen Geistesflug auch
da zu würdigen, wo uns die Lehrbücher der Astronomie
vollständig im Stiche lassen, indem sie ihm nur als Vollender
der Entdeckung des Kopernikus und als Schöpfer der berühmten
drei kosmischen Begegnungsgesetze begreifen, ganz
tibersehend, daß diese Ergebnisse mit seiner harmonischen,
in metaphysisch rhythmische Tiefen verlaufenden Auffassung
des Kosmos eng zusammenhängen, auf die er nicht weniger
Zeit und Arbeit verwendet hat, als auf die rein astronomischen
Arbeiten. In diesem Sipe sind seine astronomischen
Neuerungen sogar nur ein Hilfsmittel gewejsen
zur einheitlichen Begründung des Welt- bezw.
Sonnensyetems nach den Kategorien der Gleichung von
Makro- ued Mikrokosmos und einer, vom universellen
Affekt der Mystiker getragenen Naturphilosophie in der Bewunderung
des Alls als eines Gotteswerkes, und dieser
begeisterte kosmologische Affekt spricht aus vielen Zeilen
dieses Heros der Forschung und ist lebendig in den weitverzweigten
Gebieten, die er mit Bienenfleiß durchmißt.
Alle bedeutende Genialität ist ausgeprägte Künstlerschaft
, die man bei Kepler bisher kaum genügend hervorgehoben
hat, man kannte ihn meist nur als Rechner,
aber er ist auch Dichter, Musiker und Zeichner;
er gibt den Rudolfinisehen Tafeln die Tuschzeichnung eines
großen offenen Pantheons bei, worin sich die großen Astronomen
ein Stelldichein geben, es ist hier kopiert Seite 186 j
er begleitet seine Werke mit klassischen Dichter-Zitaten
und eigenen Versen, schreibt als junger Mann Komödien
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