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Kniepf: Job.;Keplers lebendiges Weltsystem u. sein Okkultismus, 591
erzeugt durch ihre Abweichungen vom Kreise und in ihren
Entfernungen von einander, und so erhalten diese Ahnungen
der Geheimlehren des Pythagoras, Plato, Ptolemäus und
des hochpoetischen Proclus von der Harmonie der Sphären
erst im Kopernikanisehen System ihre wirkliche Bestätigung.
Wenigstens hat sich Kepler durch Jahrzehnte immer wieder
um die genaue Beweisführung bemüht, er weiß, sagt Dr.
Karl Goebel in seiner Festschrift zur Einweihung des
Gymnasiums zu Wernigerode: „Keplers astronom. Anschauungen
und Forschungen* (Halle 1871), ^schließlich ein
fanzes Konzert zusammenzubringen, in dem Saturn und
upiter den Baß, der Mars den Tenor, die Erde und die
Venus deu Alt und Merkur den Sopran singen.16 Mit
disesen Lehren steht er dem damaligen Rosenkreuzertum
ganz nahe, geriet damit aber mit dem, wie Bacon-Shake-
speare noch nicht dem heliozentrischen System huldigenden,
und den Ideen nach mit Bacoos „Justauratio Magna* fast
wörtlich übereinstimmenden Rosenkreuzer El udd in einen
weitläufigen lateinischen Disput.*) Er versteigt sich ferner
zu der Annahme, daß das Planetenkonzert sich in antiken
Tonarten abspiele und meint, die Tonkünstler könnten sehr
wohl damit eine kunstvoll aufgebaute Motette zustande
bringen, einem solchen Meister verheiße Klio das bräutliche
Gewinde, Urania die bräutliche Liebesgöttin! Aber
so wird man, fährt er fort, sich nicht weiter wundern, daß
die schöne, zweckmäßige Folge in den musikalischen Tongeschlechtern
von den Menschen gefunden wurde, wenn
man sieht, daß sie nichts anderes getan haben, als Gottes
Werke nachzuahmen und nur sozusagen das Schaustück
des himmlischen Bewegungsbildes herunterspielen/
Insofern gewisse einfache Grundlagen für alle besonderen
Naturkräfte offenbar nach polarischen Gesetzen
gelten, war Kepler in alledem auch von einer im Grunde
richtigen und weitsichtigen Zielstrebigkeit nach einer einheitlichen
Ergründung des Ganzen beseelt, es mag daher
seine Berechtigung haben, wenn unser Uebersetzer Bryk
darauf hinweist, daß Kepler an der Hand seiner räumlichen
Gesetzmäßigkeit mit den platonischen Körpern schon die
Lücke zwischen Mars und Jupiter auszufüllen trachtete
und da, wo erst 1801—1807 die Planetoiden entdeckt
wurden, bereits einen zu seiner Zeit noch fehlenden Planeten
setzte, und man hat, schreibt ferner Bryk in der Einleitung
*) Er erwidert dem in antiker und kabbalistischer Gelehrsamkeit
beschlagenen Gegner, was er biete sei mathematisch, Fludds Anschauungen -
symbolisch und hermetisch, wonach man alles Uber die Natur beliebig anpassen
könne.
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