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«00 Psychische Studien, XLVI. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1919.)
und da Nußbaumer und Helmholtz eine Verwandtschaft
von Farben und Tönen nachgewiesen haben, so ist
jetzt für Keplers Theorie von der musikverwandten Natur
der unhörbaren Aspekte eine tiefer liegende Begründung
geschaffen. Der offiziellen Wissenschaft gingen diese Dinge
über ihren scholastischen Horizont.
Wie die Erdseele das Abbild des Tierkreises ist, so
wird auch die Menschenseele damit bei ihrem irdischen
Erwachen der Geburt nach dem Stande der Gestirne auf
die Minute und Sekunde gewißermaßen imprägniert, und
nach diesem Stigma erhalten die tausendfachen Einflüsse
für den Ablauf des Lebens ihre Bedeutung durch ein vergeistigtes
Wahrnehmungsvermögen im Unterbewußtsein und
instinktiv. Gleichwohl will Kepler den Gestirnen allein
nicht alles zur Last legen; Geschlecht, Leibesart und
jeweilige Verhältnisse sprechen subjektiv mit, und danach
Verlegen sich die Einflüsse in den persönlichen Tatsachen,
woher man nicht alles aus der Geburtsfigur allein ablesen
kömie. Das ist zweifellos richtig, und er rückt hier von
der vulgären Astrologie und ihren Ansprüchen wiederholt
ab. Die Partikularia, die besonderen Umstände, könne
man nicht ersehen oder gar voraussagen. Im allgemeinen
hat er Recht, freilich stecken auch die individuellen Umstände
im Horoskop, doch da dieses ein Labyrinth ist, wie
der gestirnte Himmel selbst für uns eins vorstellt, so liegt
der Fehler mehr darin, daß die astralen Rhythmen, weit
mehr als alle Bücher der Astrologen bis heute lehren, viel
zu zahlreich und allzu verwickelt in ihrer Uberdeckung
und Vermischung sind, als daß sie alle errechnet, noch
genau auf die besonderen Tatsachen kombiniert werden
können, und hiervou hatte Kepler noch keine genügende
Vorstellung. Aber manches täuscht darin allerdings durch
scheinbare Einfachheit,
In der großen Schrift über die Weltharmonieen von
1619, Buch IV, Abschnitt 7, den unser Übersetzer ausführlich
wiedergibt, verbreitet er sich auch wieder über dieses
Thema und führt sein Horoskop vom 27.* Dezember 1571
als Beispiel an für die Beobachtung, daß jene Menschen,
die zu den Zeiten gehäufter starker Afpekte geboren werden
, meistens so tätig und geschäftig sind. Von der Knabenzeit
haben sie sich daran gewöhnt, Geschäft auf Geschäft
zu häufen, oder sie gelangen durch Geburt oder Wahl zu
leitenden öffentlichen Stellungen, oder sie betreiben Wissenschaften
mit großem Fleiße. Es sei nicht Eitelkeit, wenn
er hier sein Horoskop anführe, denn seiner Meinung nach
irrten alle, die dieses Gebiet völlig als Torheit verdammenf
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