http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1919/0619
Zeller: Hans Driesch*« bahnbrechendes Werk.
615
Täuschung beruhend erweisen sollten, werden diese Worte
als "ein Beweis echter, die Dinge „sine ira et studio* betrachtender
Wissensehaftlichkeit anzuerkennen sein. Denn
nicht auf das Resultat, sondern auf die Methode der
Forschung — und deren Seele ist echte Objektivität —
kommt es ja in erster Linie aller wahren Wissenschaft an.
Zum Schluß noch einige Bemerkungen über Drieseh's
Beurteilung des staatlichen Lebens und geschichtlicher Entwicklung
. Hier ist der einzige Punkt, wo ich wesentliche
Einwendungen gegen Drieseh's Ausführungen zu machen
habe. Wohl gebe ich ihm in der Hauptsache Becht, wenn
er sagt, „die einzelnen Staaten sind Mittel und nur Mittel,
nie sind sie für sieh genommen Zweck; sie sind Mittel zur
ungestörten Entfaltung der einzelnen Menschen und zwar
insonderheit zur Entfaltung ihres Wissens im weitesten
Sinne des Wortes/ (S. 333.]
„Der eigentliche Sinn des geschichtlichen Lebens ist
„Wissensförderung* und „Mitleidsbetätigung*: ,.Im Reich
des Wissens allein kann ich mir ein entwicklungshaftes
echtes Ziel, einen ,,Sinn" überhaupt denken. Wissensförderung
, und sie allein, Erkenntnislörderung ist es also,
was neben der Mitleidsbetätigung gewissensmäßig verbürgte
und gegründete Aufgabe, was allein Eigenpflicht im letzten
Sinn des Wortes sein kann.* (S. 327.)
Das Erdenleben erscheint Driesch, sehr im Unterschied
von der einseitigen Diesseitsorientierung des Materialismus,
als Vorbereitung für eine jenseitige Welt, die geseliicht-
liche Entwicklung nur als ein Bruchstück, dessen Endstück
wir nicht sehen, nur ahnen können. Unser Eeich ist
nicht von dieser Welt. Er stellt den idealstaat, den „Gottesstaat
", wie er ihn nennt, dem Einzelstaat gegenüber.
(S. 331 ff,, S. 204 f.) Dabei kommt dieser letztere nun wohl
allerdings etwas allzuschlecht weg, wenigstens scheinen mir
die geradezu vernichtenden Ausführungen über den Einzelstaat
„der nur als Mittel zum Werden des einen wesen-
und sinnhaften Menschheitsganzen gedacht war, sich aufführt
, als wäre er Selbstzweck, und wie er dadurch, junge
unentwickelte Leute in den Tod schickend und zum Töten
zwingend, gerade das furchtbar hemmt, was er fördern soll",
(S. 333) zum mindesten in dieser allgemeinen Form in
höchstem Maße einseitig. Was würde heute Bismarck,
Moltke oder auch Heinrich von Treitschke zu diesem Satz
sagen? Oder auch zu der Meinung, daß der Staat sich
auf der Anerkenung gewisser „Bücher und Schriftstücke",
nämlich der „Gesetzes- nnd Verfassungsbücher und -Schriftstücke
aufbaut, (S. 204.)
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1919/0619