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Zeller: Hans Driesch^ bahnbrechendes Werk. 617
auf F. W. Försters „Autorität und Freiheit*. Wie steht
es mit wirklicher Freiheit des Einzelnen ohne gesicherte
Staatsautorität ? Kann uns da nicht die unmittelbare Gegenwart
, ich erinnere nur an die Ereignisse in München,
mancherlei zu denken geben? Wie steht es mit der erziehlichen
Bedeutung des Staates, wenn er darauf verzichtet,
im vollen Sinn Autorität zu sein und Macht ausüben zu
wollen? Welche Rolle spielt das Heer, das bisher, trotz
allem, eine Schule der Mannhaftigkeit, der Pflichterfüllung,
der Unterordnung war?
Nein, hier erscheint Drieschs Auffassung, wie mir
dünkt, nicht wahrhaft geschichtlich, nicht objektiv im vollen
Sinn. Als Naturwissenschaftler von Fach dürfte ihm das
Geschichtliche eben ferner liegen. Sonst hätte er zumal
während des Krieges, nicht in dieser Weise über Staat und
Geschichte im aligemeinen urteilen dürfen, jedenfalls hätte
er den „Deutschen Staat" von diesem absprechenden Urteil
ausnehmen müssen.
Stellen wir zum Schluß, indem wir zu dem Grundgedanken
des Werkes zurückkehren, die Frage: Worin
dürfte der Hauptwert des die tiefsten Probleme trotz allem
in so geistvoller und umfassender Weise behandelnden
Buches liegen?, so möchte ich kurz antworten: In seinem
Jenseiischarakter. Hier wird einmal vou der Höhe der
Wissenschaft aus der einseitigen materialistischen Diesseitsorientierung
mit größtem Nachdruck entgegengetreten. Daß
des Menschen Eeich im tiefsten Sinn „nicht von dieser
Welt14 sei (Vorwort S. IX), dies ist der Grundton, der sich
durch das ganze Werk hindurchzieht. Diese Grundstimmung
dürfte freilich auch das ungerechte Urteil über Staat und
Geschichte mit veranlaßt haben. Vielleicht daß eine zukünftige
Zeit die richtige mittlere Linie zu finden weiß, die
uns heute noch schwerer als in Zeiten ruhiger Klärung,
die wir von der Zukunft erhoffen, zu treffen ist. —
Wir stehen in schärfster Abwehr gegen einen immer
noch mächtigen Feind, den Materialismus. Der Krieg mit
all seiner Furchtbarkeit ist sein Werk, ebenso die tiefe
Verrohung, die ihm da, wo echte Eeligiosität und wahre
Wissensbildnng nicht vorhanden war, voranging und folgte.
Ich fasse das Werk Driesch^ als einen mächtigen Kriegs*
ruf gegen den Materialismus auf einen Kriegsruf, der auch
gelegentlich zu weit geht, eben weil die Leidenschaft des
Kampfes den Kämpfer durchbebt. Damit glaube ich ihm
am ehesten gerecht zu werden. Als Kämpfer gegen den
Materialismus bricht er zugleich auch eine Lanze für sachliche
Prüfung der okkultistischen Forschung, der gegenüber
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