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Wernekke; „Natur*1 und „Schöpfung" in der Sprache. 61»
chen. Im Rumänischen kommt dazu firea (Wesen, Natur).
Die gci manischen Sprachen besitzen keinen eignen Ausdruck
dafür; die von der Fruchtbringenden Gesellschaft vorge~
schlagene Verdeutschung „Zcugeniutter", die ja auch den
Sinn nicht erschöpft, ist unbeachtet gebliehen. In einigermaßen
heimischem Gewand erscheint das isländische ndttüra»
In den slavischen Sprachen ist gebären, erzeugen = ro-
diti; daher z. B. roditeli soviel wie genitores: Eltern; rod;
Geschlecht, Familie; roditvo: Verwandtschaft, und priroda:
Natur (prirodnik Naturforscher usw.). Neben diesem volkstümlichen
, sozusagen naturwüchsigen Ausdruck wird natura,
zumal von den Polen bei ihrer lange gehegten Vorliebe für
das Lateinische, wohl kaum als Fremdwort empfunden. Offenbar
durch geistliche Gelehrsamkeit eingeführt erscheint das
Wort jestestvo, weiches nicht das Gewordene, sondern
eigentlich das Seiende, das Wesen (essentia) bezeichnet und
das in der russischen Litteraturspiaehe häufiger vorzukommen
scheint als priroda, trotz einer gewissen Unbehilflichkeit, die
den Zusammensetzungen, wie jestestvoviedenie: Naturwissenschaft
, anhaftet.
Die keltischen Sprachen haben sich nur das lateinische
Wort mundrecht gemacht: bretonisch natur, gälisch nädür,
ebenso kymrisch, wo sich jedoch auch ein heimischer, etymologisch
dunkler Ausdiuck anian findet. — Das armenische
Wort für Natur, bnuthiun (wovon z. B. bnaknnuthiun:
Naturforschung; bnazants: Metaphysik u. a.) geht zurück auf
das Adjektiv bun: ursprünglich, eigentümlich. Das grusinische
Wort buneba: Natur, ist wohl auch davon herzuleiten.
In den semitischen Sprachen bedeutet das Verb taba*
eintauchen, in eine bildsame Masse, siegeln (äthiopisch: aus-
dauern); also ist hebräisch teba* zunächst Gepräge, Charakter
(von %aQdijC(jox einschneiden), dann überhaupt Natur, gleich
dem arabischen tabfet, das auch vom Türkischen und Persischen
übernommen ist.
Mark Aurel und Goethes Faust reden von der
„lebendigen Natur**; der deutsche Dichter schwärmt von
der „süßen, heiligen Natur* und preist „ Mutter Natur*
mit ihrer Erfindung Pracht; und Cuvier meint, wenn man
von Gesetzen der Natur redet, gebe man ihr eine Art
individueller Existenz. Aber religiösem Empfinden will das
nicht genügen: es sucht für das Weltall in seiner Einheitlichkeit
und Ordnung einen bewußten, persönlichen Urheber.
Seneca sagt: „Für empfangene Wohltaten soll der Mensch
Gott danken, nicht der Natur .... Ist denn Natur etwas
andres als Gott und die der ganzen Welt innewohnende göttliche
Vernunft? Man darf ihn, den Urheber unsrer Dinge^
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